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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 72
(PDF, 49 MB)
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reden sein wird) und mit ausgestreckten armen, in der rechten hand eine brennente
kertze, und in der lincken eine ruthe haltend, zu stellen und da biß nach verrichtetem
Gottesdienst zu verbleiben".82 Die hier vorgeschlagene Bestrafung, nämlich eine
Schandstrafe und Leibeszüchtigung, war charakteristisch für die Bestrafung der Erregung
öffentlichen Ärgernisses durch öffentlich vollführte unzüchtige Handlungen
.83

Die Rechtsgelehrten begnügen sich in dem Fall der Jugendlichen ausnahmsweise
nicht damit, nur die Verbote und die Folgen ihrer Nichtbefolgung anzuführen, sondern
versuchen durchaus, eine rationale und gelehrte Erklärung abzugeben, warum
die beanstandeten Taten überhaupt verwerflich und schlecht für Land und Menschen
seien. Bezeichnend ist, dass sie sich dabei auf einen „Heiden", nämlich Piaton, berufen
müssen, da in den einschlägigen Stellen der Heiligen Schrift zwar Verbote,
nicht aber deren Begründung ausgesprochen werden.84 „Etenim neutiquam negari
possit, hoc carnis crimen, pene nulli ex reliquis carnis delictis secundum ec, si non
supius: non tantum, quod in bestialitatis et sodomiae criminibus Semper ad huc quid-
piam concurrat, quod voluptatem vel inquentis turbet et taediare faciat, secus ac in
hoc crimine, uti evidens est: verum etiam, quod hoc crimen aeque ac bestialitas et
sodomia, contra naturam sit, naturaeque metas excedat: Cum et hi delinquentes,
quantum in ipsis est, nefarys hihce suis libidinibus, seminisque nefandis profusioni-
bus, tot hominibus, intelligitur interficere, ipso gentili Piatone libr. 8 de legib[us]
teste:85 qui enim hisce pollutionibus indulgent, genus hominum dedeita opera inter-
ficiunt, imo infernalis hostis, generis humani persecutor abdicatissimus, quid pec-
cato hoc aliud intendit, quam ut in juvente statim masculos, hujus modi polluitioni-
bus, a DEO abducat, habitudinem virilem infirmet, eviret, et, aliquando maritos
factos, ad generandum impotentes reddat sicque propagationem generis humani im-
pediat".86 Zwar werden der sündhafte Charakter der Tat, die Urheberschaft des Teufels
und die aus der Sünde resultierende Entfernung von Gott wieder hervorgehoben,
doch ist die eigentliche Erklärung eine andere: Wenn Männer sich in ihrer Jugend
beständig derartigen Verunreinigungen hingeben, so hat das eine Schwächung ihrer
Manneskraft zu Folge, die dazu führt, dass sie, einmal Ehemänner geworden, zum
Zeugen unfähig und nicht mehr in der Lage sind, ihren Beitrag zur Fortpflanzung
der Menschheit zu leisten. In letzter Konsequenz müsse das zum Aussterben des
menschlichen Geschlechtes führen.

Die Rechtsquellen und ihre Hierarchie

Bei ihren Überlegungen ziehen die Gutachter hauptsächlich das römische Recht, entweder
die justinianische Kompilation selbst oder Schriften vor allem deutscher
Kommentatoren des 16. und 17. Jahrhunderts wie Benedikt Carpzov, Jacobus Me-
nochius oder Matthaeus Stephani zu Rate. Eigentlich besaß das römische Recht gegenüber
der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 nur subsidiäre Bedeutung.
Auch Schindler weist darauf hin, dass in Freiburg die Carolina am häufigsten als
rechtliche Grundlage diente, „sowohl für Endurteile als auch für Gutachten über die
Anwendung der Folter".87 Doch hatte die Carolina für Inzest keine eigenen Strafregelungen
getroffen, sondern lediglich auf das jus commune, den ortsüblichen Ge-

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