Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 73
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brauch und den Rat von Rechtsexperten verwiesen,88 weshalb sie in unserem Fall
auch lediglich bei Fragen zur Tortur und zum Vorgehen in der Beweisführung angeführt
wird. In Artikel 25 der Carolina heißt es dazu: „Item so man der anzeygung
die inn vil nachgesatzten artickeln gemelt, vnd zu peinlicher frage gnugsam veror-
dent sein, nicht gehaben mag, So soll man erfarung haben, nach den nachuolgenden
vnnd dergleichen argkwonigen vmbstenden, so man nit alle beschreiben kan. § Erstlich
ob der Verdacht eyn solche verwegene oder leichtfertige person, von bösem leu-
mut vnd gerücht sei, dass man sich der missethat zu jr versehen möge, oder ob die
selbig person, dergleichen missethat vormals geübt, vnderstanden habe, oder bezie-
gen worden sei [...]. § Zum andern, ob die verdacht person, an geuerlichen orten, zu
der that verdechtlich gefunden, oder betretten würde". Diese Vorschriften finden
ihren Widerhall im Wunsch der Straßburger Universitätsjuristen, aus Freiburg
Kenntnis zu erhalten „von sein Bartel Kühnleins überigem christenthumb standt und
haußwesen, sowohl in voriger seiner ehe, alß bißherigem wittibstand, item von seinem
äusserlichen conduite, thun und lassen, ob er irgendt vormahlen auch, in undt
ausser ehe, dieses lasters oder unkeüschheit wegen in verdacht gewesen, und war-
umb: undt dass er ein mann, deme dergleichen sünde zu begehen, wohl zuzutrau-
wen",89 und in der Frage, „ob irgent jemandt sie vatter und tochter in so thanem unzüchtigem
wesen betretten, gesehen, und solches [...] gebührend hinterbracht und
angezeiget".90 Die Fragen sollten eine vollständige Aufklärung des Falles ermöglichen
. Derartige Fakten, so erklären die Straßburger unter Berufung auf die Carolina,
würden dem Richter nicht nur bei der Beurteilung der schon bekannten Indizien und
Umstände helfen, sondern zur Entdeckung weiterer Tatbestände und Delikte führen:
„[...] solche nachricht aber dem richter nicht nur in dijudicando indicia praesentia,
concurrentesque circumstantias coeteras ein großes leicht, sondern auch auff mehr
andere, annoch verborgene und verheelte anzeigung zu kommen, nach ahnleytung
der peinlichen halßgerichtsordnung, mehrere anlaß und gelegenheit geben".91 Das
zur damaligen Zeit und bis zur Einführung des Code Napoleon im Jahre 1810 in
Freiburg gültige Recht war eigentlich das neue Stadtrecht von 1520 gewesen, das
jedoch in beiden Gutachten nicht ein einziges Mal angeführt wird. Dieser Umstand
ist damit zu erklären, dass im ohnehin knapp gehaltenen strafrechtlichen Teil des
neuen Stadtrechtes auf Inzest, Masturbation oder andere Unzuchtsdelikte kein Bezug
genommen wird. Man muss jedoch davon ausgehen, dass die Straßburger als
auswärtige Rechtsgelehrte ihrem Rat auch ohnedies nur das römische Recht und die
Carolina zugrunde gelegt hätten.92

Über allen diesen Rechtsquellen, dem Stadtrecht, der Carolina und dem römischem
Recht stand aber noch eine höhere Instanz, das göttliche Recht (jus divinum).
In das mittelalterliche Rechtssystem des ius commune war die Klassifizierung des
Rechts in ius naturale (Naturrecht),93 ius gentium (Völkerrecht, Völkergemein-
recht)94 und ius civile95 entsprechend dem römischen Recht, sowie von der kanoni-
stischen Theorie der Rechtsquellen die Einteilung in göttliches Recht (jus divinae
constitutionis) und menschliches Recht (jus humanae constitutionis) eingegangen.
Das menschliche Recht wurde als veränderlich, das göttliche hingegen als unveränderlich
angesehen, da es den direkten Willen Gottes darstellte, wie er in der Heiligen
Schrift und speziell im Dekalog geschrieben stand. Dem göttlichen Recht wa-

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