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sammenhang den Herausgebern jedoch unentdeckt blieb. Die Gründe für ein solches
Defizit mögen einmal in der aus unguten historischen Erfahrungen genährten großen
Zurückhaltung liegen, mit der kulturpolitisch hochaktive Freimaurer als bekennende
Logenmitglieder öffentlich aufzutreten pflegten, so dass sie mit ihrer Großloge in
dieser Eigenschaft gar nicht erst wahrgenommen wurden, zum anderen im vermeintlich
oder tatsächlich schwierigen Zugriff von Historikern auf adäquates, auch
biographisches Quellenmaterial. Bezüglich Freiburgs gilt dies etwa für die beiden
Reformfreimaurer der Loge „Zur edlen Aussicht", Gottfried August Ficke (1808-
1887) und Ferdinand Bronislaw von Trentowsky (1808-1869), im neunzehnten
Jahrhundert sowie für die vier Mitglieder der FZAS-Loge (s.u.), Hermann Eris
Busse (1891-1947), Wilhelm Hauser (1883-1983), Peter Kappes (1889-1960) und
Stefan Meier (1889-1944), im zwanzigsten.10 Ein dritter Grund für diesen Mangel
mag angesichts mancher, über die Jahrhunderte immer wieder hochgespielter, für
Kenner indes keineswegs typischer Affären das völlige Verkennen freimaurerischen
Wollens und Wirkens und damit das Desinteresse an der Geschichte des Logenwesens
überhaupt sein. So blieb in der Forschung beispielsweise ein seit nunmehr 125
Jahren ununterbrochen existierendes Schisma weitestgehend unreflektiert, das die
Freimaurerei der Welt in ein England-gebundenes konservativ-liberalistisches und
ein Frankreich-gebundenes progressiv-freiheitlich-republikanisches Lager teilt.11
Weitgehend unbekannt blieb darüber hinaus ein freimaurerisches Wesensmerkmal
der Weimarer Zeit, in der das deutsche Logenwesen - aus bereits existierenden Entwicklungslinien
der Dekaden davor - in ein so genanntes altpreußisch-christliches
Lager mit drei Obedienzen, in ein so genanntes humanitäres mit sechs Großlogen
und ein kosmopolitisch orientiertes pazifistisches Lager mit zunächst einer, ab 1930
zwei Obedienzen, insgesamt jedenfalls mit 11 Lehrarten unterschiedlicher Ritualinhalte
aufgeteilt war. Dies mit der Folge, dass das freimauerische Logenwesen in
Deutschland bis 1933 weder kulturpolitisch noch friedenspolitisch einheitlich auftrat
, sondern ideologisch von internen Zugehörigkeitsauseinandersetzungen geprägt
war, die nicht immer in brüderlichem Geiste ausgetragen wurden.12
Aus diesen Fakten ergibt sich nun allerdings die historiographische Pflicht, in dem
Bemühen um Offenlegung der bislang unbekannt gebliebenen Friedensrolle wenigstens
eines Teils des deutschen Logenwesens - hier des FZAS für die pazifistische
Vergangenheit Freiburgs mit öffentlich noch unbekanntem Material13 - zu gedenken
und dabei den Eindruck eines idealisierten Geschichtsbildes möglichst zu vermeiden
. Und doch waren es seit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, insbesondere ab
1920, nach vorliegenden Dokumenten tatsächlich nur zwei der zehn Großkörperschaften
, die sich des Themas Frieden intensiver annahmen: neben der 1783/1823
gegründeten humanitären, also auch für Juden offenen „Großen Mutterloge des
Eklektischen Freimaurerbundes zu Frankfurt am Main" eben der FZAS, Sitz Nürnberg
, und seiner am 29. März 1920 gegründeten Freiburger Ortsgruppe „Breisgau".
Als eines der ersten deutschen FZAS-Mitglieder erließ der in Leipzig tätige Wilhelm
Ostwald, zugleich Präsident des Deutschen Monistenbundes und Chemie-
Nobelpreisträger von 1909, schon im August 1914 einen Friedensaufruf, verlangte
jedoch von den Adressaten - sicherlich unter dem Eindruck der herrschenden Meinungsführer
im Reich - den Einsatz fürs Vaterland, „bis der uns aufgezwungene
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