Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 151
(PDF, 49 MB)
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„Ein politisch gefährliches Subjekt"
Das Leben der Fränze Vordtriede (1911-1997)

Von
Ute Scherb

Mit der Publikation von Briefen der Redakteurin Käthe Vordtriede eröffnete sich im
Jahr 1998 ein ganz neuer und sehr persönlicher Zugang zum Alltag im nationalsozialistischen
Freiburg der Jahre 1933 bis 1939.1 Es handelte sich um einen Zufallsfund
, welchen wir letztlich ihrem Sohn Werner Vordtriede verdanken. Der 1985 gestorbene
Literaturwissenschaftler hatte seinen schriftlichen Nachlass dem Deutschen
Literaturarchiv in Marbach vermacht.2 Neben vielen anderen Unterlagen fanden sich
bei der Sichtung 150 Briefe seiner Mutter, die der bereits mit 18 Jahren zuerst in die
Schweiz, später in die USA emigrierte Werner Vordtriede sein ganzes Leben lang
verwahrt hatte. Die Briefe stellen eine unschätzbare Quelle dar, denn sie bilden in
ihrer zeitlichen Unmittelbarkeit ein einzigartiges Dokument über die Ereignisse, besonders
über das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger einer mittelgroßen deutschen
Stadt in den Jahren nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten.
Der Herausgeber Manfred Bosch charakterisiert diese Schriftstücke als „Akte der
Abwehr, um sich den täglichen Dreck von der Seele zu waschen".3

Um einen ähnlichen „Glücksfund"4 handelt es sich bei den gut 50 erhalten gebliebenen
Briefen und Postkarten von Käthe Vordtriedes Tochter Fränze. Gerade die
Offenheit, in der sie sich mit ihrem „geliebte(n) Wernchen" austauschte, ermöglicht
zum einen tiefe Einblicke in die Atmosphäre einer Universitätsstadt der dreißiger
Jahre. Zum anderen dokumentieren die Briefe ein exemplarisches Emigrantinnenschicksal
.5

Fränze Elise Helene Vordtriede, geboren am 7. Oktober 1911, wuchs zusammen
mit ihrem dreieinhalb Jahre jüngeren Bruder bei ihrer Mutter auf, die sich nach wenigen
Ehejahren während des Ersten Weltkrieges oder kurze Zeit danach von ihrem
Ehemann, dem Schokoladenfabrikanten Gustav Adolf Vordtriede, getrennt hatte.
1929 erlitt der Unternehmer einen tödlichen Unfall. Weder Käthe noch ihre Kinder
hatten in den Jahren zuvor mit Gustav Vordtriede in Kontakt gestanden.6

Käthe Vordtriede geb. Blumenthal stammte aus einer jüdischen Familie. Ihr Vater
war ein weitgereister Kaufmann, der sich früh assimiliert hatte. Käthes ältere Geschwister
waren evangelisch getauft worden, sie selbst offenbar nicht - auf amtlichen
Papieren galt die 1891 Geborene als der „mosaischen Religion" zugehörig.7
Sie verstand sich keineswegs als „Synagogengenossin", wie sie es selbst ausdrückte,
sondern gehörte bis 1933 der Freireligiösen Gemeinde in Freiburg an.8 Ihre Tochter
Fränze ließ sie freilich evangelisch-lutherisch taufen. Hier dürfte der Einfluss ihres
Ehemanns bzw. ihrer protestantischen Schwiegereltern eine nicht unerhebliche Rolle

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