Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 158
(PDF, 49 MB)
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suchten die meisten Flüchtlinge in den Nachbarländern unterzukommen, insbesondere
in der Tschechoslowakei und in Frankreich. Dennoch betrieben die Briten angesichts
hoher Arbeitslosenzahlen bis Ende 1938 eine äußerst restriktive Einwanderungspolitik
.49 Bereits 1933 war bekannt gegeben worden, dass für Flüchtlinge besonders
mit akademischen Berufen nahezu keine Aussicht auf Beschäftigung
bestünde. Wer nach Großbritannien wollte, musste entweder ein Vermögen mitbringen
oder über Bekannte verfügen, die für die Sicherung des Lebensunterhaltes bürgten
.50 Letzteres war bei Fränze Vordtriede der Fall.

Im akademischen Bereich bestand in der Tat keine Aussicht auf eine Anstellung -
weder als Anglistin noch als Historikerin.51 Fränze Vordtriede schlug sich anfangs
als Hausangestellte, später als Lehrerin hauptsächlich mit Deutschunterricht durch.52
Als sie in Großbritannien ankam, schien eine sichere Stellung in der Privatschule
einer Bekannten auf sie zu warten. Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch.53 Obgleich
Fränze die Sprache perfekt beherrschte und in England bereits einige persönliche
Kontakte geknüpft hatte,54 sank ihre Stimmung wenige Monate nach der Ankunft
in London auf den Nullpunkt: „(I)ch war eine Zeitlang so deprimiert, daß ich
völlig apathisch war, um schließlich alle und alles zu hassen, selbst England."55 Ihre
„Dienstmädchenzeit" muss sehr unerfreulich gewesen sein. Noch im Januar 1939
waren Käthe Vordtriede die Berichte ihrer Tochter in deutlicher Erinnerung, als sie
über ihre eigenen Emigrationspläne schrieb: „Ihr könnt es mir nicht verdenken, daß
ich nicht gern nach England gehe, wenn ich etwas Besseres als eine Dienstmädchenstelle
bekommen kann, denn mich schaudert's noch bei der Erinnerung an
Fränzes Erlebnisse bei Mrs. James."56 Die große Mehrzahl der deutschen Emigrantinnen
verdingte sich damals in Großbritannien als Hausangestellte, da allein in diesem
Berufszweig Arbeitskräftemangel herrschte.57

Fränze stand weiter in engem Kontakt zu ihrem Doktorvater, der regelmäßig nach
Großbritannien reiste, um vor Ort Material für seine Forschungen zu dem Thema
„Die Idee eines Nationalepos in der englischen Literatur" zu sichten. So traf Fränze
Vordtriede ihren ehemaligen Professor in der Vorkriegszeit mindestens dreimal in
London und verbrachte viel Zeit mit ihm.58

Mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen verschlechterte sich für Fränze
Vordtriede wie für alle nach Großbritannien Emigrierten die Situation im Gastland
erheblich. Fortan galten sie als „enemy aliens", als feindliche Ausländerinnen und
wurden drei verschiedenen Kategorien zugeordnet: Kategorie A bedeutete sofortige
Internierung für alle, die als illoyal eingestuft wurden. In die Kategorie C kamen die
meisten, nämlich all diejenigen, die man für „echte" Flüchtlinge hielt, und in die
mittlere Stufe sortierte man etwa 7000 Menschen, die als „zweifelhaft" beurteilt
wurden. Sie durften sich zwar weiterhin an ihrem Wohnsitz aufhalten, unterlagen
aber strengen Kontrollen und standen unter permanenter Aufsicht.59 Die Zuordnung
erfolgte äußerst willkürlich. Es lässt sich vom heutigen Standpunkt aus kaum nachvollziehen
, warum Fränze Vordtriede in Kategorie B eingeordnet wurde, somit als
unzuverlässig galt. Denkbar ist, dass ihr die Reisen nach Deutschland zum Verhängnis
wurden, die sie mehrfach unternommen hatte, um ihre Mutter zu besuchen
oder sich mit Freunden zu treffen.60 Noch unmittelbar vor Kriegsbeginn hatte sie sich
in Hamburg und Swinemünde aufgehalten und es war ihr nur mit Mühe gelungen,

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