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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
121.2002
Seite: 161
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zu werden und der Hoffnung, bald nach London zurückkehren zu dürfen. Letztere
war keineswegs irrational, denn als Reaktion auf den öffentlichen Druck im eigenen
Land ließ die Regierung bis August 1941 über die Hälfte der ursprünglich etwa
30.000 Internierten frei.77 Fränze Vordtriede gehörte nicht zu ihnen. Opportunismus
war nicht ihre ,Stärke', und es ist anzunehmen, dass sie sich nicht nur in ihren Briefen
über Missstände im Lager beschwert hat. Doch auch dies hätte ausgereicht, denn
kein Schriftstück verließ das „Women's Internment Camp", ohne vorher zensiert
worden zu sein.78

Immer wieder wurde sie ausführlichen Verhören unterzogen. Entmutigt berichtete
sie ihrem Bruder Anfang 1942: „In 2stündigem Interview versuchte ich, von meiner
Loyalität zu überzeugen. Wenn man jetzt meinen Angaben nicht nachgeht u. ihre
Wahrheit feststellt, gebe ich es auf, weiter mich zu bemühen. Es wird lächerlich,
wenn ich mich gegen interne Denunziationen als Antisemitin u. Nazi ! wehren muss,
wenn dieses Weibergeschwätz f. die Behörden massgeblich ist."79 Offenbar gelang
Fränze auch jetzt nicht der Nachweis ihrer Integrität, denn sie musste noch anderthalb
weitere Jahre auf der Isle of Man verbringen.80 Die Lage war auch deswegen
so verzweifelt, weil ihre Mutter sämtliche Unterlagen, die als Beweis für Fränzes
Nazigegnerschaft hätten dienen können, zusammen mit ihrem Bericht über ihr „Leben
in Deutschland vor und nach 1933" an die Harvard University in die USA geschickt
hatte.81 Erst Ende Mai 1943 wurde Fränze Vordtriede freigelassen.82

Zwei Jahre nach Kriegsende verließ sie Großbritannien und siedelte in die USA
über, wo inzwischen auch ihre Mutter lebte. In Amerika fand Fränze eine Anstellung
als Lehrerin an verschiedenen Colleges, zuerst in Philadelphia, später in Woodstock
(New York). Am 26. Januar 1951 heiratete sie ihren Kollegen William Thomas Riley.
1971 zog das Paar nach Massachusetts. Im hohen Alter von 83 Jahren kam Fränze
1994 ein erstes und letztes Mal nach Deutschland. In Freiburg besuchte sie ihre
Schulfreundin Emilie Fexer und, verbunden mit starken Emotionen, die Schauplätze
ihrer Jugend; in München das Grab ihres 1985 verstorbenen Bruders. Drei Jahre später
starb Dr. Frances Vördtriede-Riley in Fort Meyers Beach, Florida.

Anmerkungen

1 Käthe Vordtriede: „Mir ist es noch wie ein Traum, dass mir diese Flucht gelang..." Briefe nach
1933 aus Freiburg im Breisgau, Frauenfeld und New York an ihren Sohn Werner. Lengwil 1998.

2 Vgl. Dieter Borchmeyer: Die Sprache: das nie verlassene Haus. Ein Porträt des „Homme de lett-
res" Werner Vordtriede. In: Werner Vordtriede: Das verlassene Haus. Tagebuch aus dem amerikanischen
Exil 1938-1947. Lengwil 2002, S. 463-476; Regina Weber: Werner Vordtriede
(1915-1985). Nachlaßbericht. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 32 (1988), S. 406-
422, hier S. 406.

3 Manfred Bosch: „Nie, solange das dritte Reich besteht, will ich mich vom Hass reinigen." Nachwort
. In: Vordtriede: Mir ist es noch wie ein Traum (wie Anm. 1), S. 365.

4 So Heiko Haumann in seiner Rezension über: Vordtriede: Mir ist es noch wie ein Traum (wie
Anm. 1). In: Schau-ins-Land 118 (1999), S. 212-214, hier S. 212.

5 Die hier zitierte Anrede verwendet sie in: Fränze an Werner Vordtriede, 28.9.1939. In: Deutsches Literaturarchiv
Marbach a. N. (DLA), A: Vordtriede 86.3127. 1935 versah Fränze Vordtriede ihre Dissertation
für die Druckfassung mit der Widmung: „Meinem teuren Bruder!". Fränze Vordtriede:
Der Imagismus. Sein Wesen und seine Bedeutung. Diss. Freiburg 1935.

Auch Werner bedachte seine Schwester mit liebevollen Adjektiven, z.B.: „Geliebtes, teures
Mädchen". In: Werner an Fränze Vordtriede, 24.7.1933. In: DLA, A: Vordtriede 94.91.5/11.

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