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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 76
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All diese Orte befinden sich nicht direkt an den berühmten Pässen. Aber sie waren die lokalen
Umschlagplätze, an denen die Exportprodukte Fleisch und Käse gesammelt wurden, und
von denen aus das Salz auf die Almen geschafft wurde. Savoyen und die Zentralschweiz gehörten
aufgrund der Milchwirtschaft zu den bedeutendsten Importeuren von Salz aus ganz Europa
; die Salzsteuerlisten bilden den wichtigsten sozialstatistisch verwertbaren Quellenbestand
Savoyens in der Frühen Neuzeit.9 Die Vermutung liegt nahe, dass die Erschließung alpiner
Hochlagen für landwirtschaftliche Zwecke nie der Logik karger Selbstgenügsamkeit gehorchte
, sondern von Anfang an weit gespannte Marktbeziehungen voraussetzte. Darin dürfte
das im ganzen Europa der Frühen Neuzeit bekannte und vom Handel gefürchtete Unternehmertum
der Bergbevölkerung seine Wurzel haben.

Gemessen an den heimatlichen Möglichkeiten muss der wirtschaftliche Erfolg der Auswanderer
fulminant gewesen sein. Die fernen Dorfgenossen stifteten Seelgeräte für die Pfarrei
und ganze Schulgebäude, sie kauften ihre Familien aus der Leibeigenschaft frei, sie investierten
Gewinne in landwirtschaftliche Nutzflächen oder vergaben Kredite, aus deren Erträgen
sie im Alter lebten. Das Dorf Magland soll um 1750 bis zu 90 Prozent der gesamten Jahreseinkünfte
, 60.000 savoyische Livres oder 18.000 Reichsgulden, durch seine 300 auswärtig
tätigen Händler erwirtschaftet haben.10 Während die ältere Forschung ein düsteres Bild von
Armut und Wirtschaftskrisen gezeichnet hatte, stellt David J. Siddle für das 18. Jahrhundert
eine markante, jedoch von vielen Rückschlägen unterbrochene Wertzunahme der notariell er-
fassten Heiratsgüter fest, und zwar bei abnehmenden Unterschieden zwischen Arm und Reich.
Der Handel brachte also Wohlstand ins Land, von dem alle Schichten profitierten. In die eher
spartanisch eingerichteten Häuser hielten Produkte des gehobenen Konsums, vor allem Kolonialwaren
wie Kaffee und Zucker, und Galanteriewaren wie z.B. Halstücher, genauso Einzug
wie in die Adelspaläste und Metropolen der damaligen Zeit.11 Dem herkunftsorientierten
Blick soll im Folgenden die Perspektive der Zielstädte und -regionen gegenübergestellt werden
. Es kann aber nicht darum gehen, dem Lebenswerk von Karl Martin über savoyische Einwanderung
in Süddeutschland flächendeckend familienkundliche Marginalien anzufügen. Jeder
Versuch, die Einwanderung umfassend nachzuzeichnen, wird immer nur ebenso ermüdende
wie unvollständige Personenlisten liefern. Stattdessen soll der Vergleich savoyischer
Einwanderung in die Städte Freiburg, Konstanz und Augsburg vertiefte Einblicke in die sozialen
und wirtschaftlichen Lebensumstände der „welschen" Einwanderer ermöglichen.

Zunächst können für diese drei Städte keine übereinstimmenden Einwanderungskonjunkturen
festgestellt werden. Gemessen an seiner Bevölkerungszahl war Konstanz als kleinste
Stadt am aufgeschlossensten gegenüber den Zuwanderern. In Freiburg war es am schwierigsten
, zu Bürgerrecht und Zunftgerechtigkeit zu gelangen. Der Magistrat hatte 1551 ein Zuwanderungsverbot
erlassen und heiratswilligen Freiburgerinnen den Entzug des Bürgerrechts
angedroht, falls sie sich mit einem „Welschen" einlassen würden. Er berief sich dabei auf entsprechende
Maßnahmen in Basel und Colmar; und in der Tat hatte Basel 1548 ebenso auf die
Zuwanderung reagiert. Der Freiburger Umgang mit dem Gesetz war allerdings flexibel. Als
ersten traf es 1554 den „Welschen" Franz Massot samt Familie, 1558 den Welschhans Kessler
von Genf. Auch Katharina Wirtin, Tochter eines Freiburger Edelsteinschleifers, bekam die
Härte des Gesetzes zu spüren, die mit dem Kristallhändler Johann Aymonart aus „Symert" in

9 Jean-Claude Hocquet: Marches et routes du sei dans les Alpes (Xllle-XVIIIe siecles). In: Savoie et region alpine
. Actes du 116e congres national des societes savantes, Chambery/Annecy 1991. Paris 1994, S. 211-226;
Roger Devos/Bernard Grosperrin: La Savoie de la Reforme ä la Revolution francaise (Histoire de la Savoie
III). Rennes 1985, S. 51-54, 79, 139.

10 Maistre/Maistre/Heitz (wie Anm. 6), S. 15, 89; Raynaud (wie Anm. 3), S. 41.

11 David J. Siddle: Migration as a strategy of accumulation: social and economic change in eighteenth-century Sa-
voy. In: Economic History Review L, 1997, S. 1-20; Anne Radeff: Du cafe dans le chaudron. Economie globale
d'Ancien Regime (Suisse occidentale, Franche-Comte et Savoie). Lausanne 1996.

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