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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 92
(PDF, 58 MB)
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haben. Viele „Welsche", die nach dem 30jährigen Krieg einwanderten, stießen auf eine Gesellschaft
, die oft in politischer und militärischer Unsicherheit lebte, die aber Geld übrig hatte
für Kurzwaren, Gewürze und anderes mehr. Diesen Savoyern gelang der Einstieg ebenso rasch
wie denjenigen, die vor der Mitte des 16. Jahrhunderts in deutsche Städte kamen. Einwanderungsversuche
nach 1550 bzw. nach 1750 stießen sich dagegen oft an den (vermeintlichen) Interessen
einer Bevölkerung, die durch klimatisch bedingte Missernten bei zunehmender Nachfrage
nach Nahrung unter Druck geraten war. Auch wenn man keinen linearen Zusammenhang
zwischen Wirtschaftskrise und Fremdenfeindlichkeit annehmen sollte, muss doch gesagt werden
, dass Krisensituationen die Abwehr von Zuwanderern förderte.

Politische Konflikte beeinflussten die lokale Fremdenintegration und -abwehr ebenfalls. Die
„Welschenfeindlichkeit" des 16. Jahrhunderts am Oberrhein nährte sich nicht nur aus der angeblichen
„Überhäufung" mit fremden Hausierern und Bettlern, sondern auch aus den diplomatischen
Intrigen und Kriegen zwischen Habsburg, den italienischen Potentaten, der
Schweiz, Burgund und Frankreich, was schwere Störungen des Wirtschaftslebens zwischen
Basel, Schwarzwald und den Vogesen verursachte.70 Konkret führte im 16. Jahrhundert der
Konkurs der Krone Frankreich zu zahlreichen Bankrotten führender Handelshäuser. Münzabwertungen
und -verrufe durch die Feinde Habsburg und Frankreich, erst recht die durch
Marodeure unsicher gemachten Straßen verursachten den kleineren und mittleren Handelsgesellschaften
große Schwierigkeiten. Ihr politischer Einfluss reichte zur Durchsetzung von Ansprüchen
ebenso wenig aus wie ihre Barmittel zur Anwerbung eigener Kriegsknechte zum
Schutz der Transporte.71 Die Morell, Fels und Schalland in Konstanz, Lindau und Freiburg versuchten
dagegen durch hoch spekulative Geschäfte im Münz- und Salzbereich in die Welt
europaweit agierender Handelshäuser aufzusteigen, stürzten jedoch ab.

Das späte 17. und das frühe 18. Jahrhundert brachte wie erwähnt mit den „Franzosenkriegen
" und dem Festungsbau für Freiburg und Umgebung den einzigen nennenswerten Zuwanderungsschub
an Savoyern. Ansonsten schottete sich die Stadt relativ konsequent gegen „welsche
" Migranten ab, denn Verbindung der Erfahrungen von Kriegsgefahr und „welscher" Immigration
führte - nicht nur im Breisgau - zu fremdenfeindlicher Stereotypenbildung.72
Freiburg war durch seine Nähe zu französisch beherrschtem Gebiet besonderen Kriegsgefahren
ausgesetzt und litt auch wirtschaftlich unter den wechselnden Grenzziehungen. Umso erstaunlicher
ist es, wie rasch sich die meisten verbürgerten Zuwanderer in die Stadtgemeinde
integrierten und verantwortungsvolle Positionen übernahmen.

Nicht zuletzt entschieden sich Familienschicksale in der Religionspolitik. Die von Österreich
propagierte katholische Reform führte - mit zeitlichen Verschiebungen von Ort zu Ort -
zu einem konfessionellen Auseinanderleben der einzelnen Zweige, wenn nicht zum Ende
einer Familie in einer Stadt. In diesem Sinne erlebte Konstanz die vollständige Ablösung der
alten savoyischen Eliten durch neue Familien wie die Contamina im frühen 17. und die De-
lisle u.a. im 18. Jahrhundert, die aber die Macht der Fels, Morell, Osenroth und Oleon nicht
mehr erreichten.

Angekommen und verbürgert in der Fremde, gab es für die Savoyer doch immer wieder neue
Gründe für die Wanderschaft.

70 Valentin Groebner: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft
im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit (Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 3).
Konstanz 2000; Tom Scott: Regional Identity and Economic Change. The Upper Rhine, 1450-1600. Oxford
1997.

71 Jean Chardon le Jeune an Christoph Mang, Freiburg, u.a. zum Zusammenbruch des Edelsteinhandels in Straßburg
aufgrund der Kriegsgefahren, Leipzig 2.6.1628. StadtAF, Gewerbe und Handel 88, Nr. 63. Johann bzw.
Hans Cardon war ein in Augsburg ansässiger Savoyer.

72 Polemik gegen die savoyischen "Schelmen" aus einem Verhörprotokoll in Waldshut um 1720 zitiert Raynaud
(wie Anm. 3), S. 74; für das 16. Jahrhundert Groebner (wie Anm. 70).

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