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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 104
(PDF, 58 MB)
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liehen Bürgern zur Erziehung und Ernährung übergeben habe, damit sie zum fleißigen Schulbesuch
und zu einem arbeitsamen Leben angehalten und nicht dem schlechten Beispiel ihrer
herumziehenden und angeblich nichtstuenden Eltern folgen würden. Er empfahl der Gemeinde
, mit den anderen Kindern genauso zu verfahren.

Dem Staat bereitete die liberalere Position gegen den Kehr und für die Besserstellung der
ortsarmen Familie in einer ständigen Wohnung keine Probleme: Er musste die Wohnung nicht
bezahlen. Die steuerpflichtigen Bürger der Gemeinde hatten jedoch das Interesse, möglichst
billig wegzukommen und die Gemeindeumlagen für Armenpflege nicht anwachsen zu lassen.
Der Bürgermeister und seine drei Gemeinderäte versprachen daher dem Beamten nur ausweichend
, dass sie dem Wunsch des badischen Landamts bezüglich der Familie Gärtner so weit
wie möglich Folge leisten wollten. Das war dem Landamt entschieden zu wenig, es wollte genau
wissen, wie die Familie tatsächlich unterhalten und untergebracht wurde. Der Bürgermeister
, die Gemeinderäte und die Vertreter des Bürgerausschusses berichteten dem Landamt Anfang
Februar 1835, dass sich die Familie nach wie vor im Kehr befinde. Die Gemeindevertreter
wollten der Familie keine Wohnung beschaffen, da sie befürchteten, dass die Familie darin
verdächtigen Menschen Aufenthalt geben werde. Das sei früher schon einmal geschehen, als
sie der Familie eine Wohnung für ein Jahr in der so genannten Kiemenzenhütte verschafft hatten
. Genauere Angaben über die verdächtigen Menschen machten die Gemeindevertreter leider
nicht. Klar ist jedoch, dass sie die Sozialkontrolle der Familie durch den Kehr eher gewährleistet
sahen als in einer abgeschlossenen Wohnung. Zu den Kindern bemerkten die Gemeindevertreter
noch, dass die schulpflichtigen Kinder bei anderen Bürgern untergebracht
seien und von diesen in die Schule geschickt würden. Die kleineren Kinder verblieben bei den
Eltern. Wenn sie jedoch schulpflichtig wurden, verfuhr man mit ihnen wie mit ihren älteren
Geschwistern.22 Die Schulpflicht begann im Großherzogtum Baden mit dem sechsten und dauerte
bis zum 13./14. Lebensjahr.23

Eine dauerhaft befriedigende Regelung für alle Seiten war das nicht. Der Konflikt der Gemeinde
Steig eskalierte sowohl mit Jacob Gärtner als auch mit dem Landamt weiter. Jacob
Gärtner verlangte von der Gemeinde, dass sie ihm und seiner Familie eine Wohnung beschaffen
solle, und beschwerte sich beim Landamt über die widerstrebende Gemeinde. Das Landamt
beauftragte daraufhin am 6. Juni 1840 die Gemeindeverantwortlichen, für die Unterbringung
dieser Familie in einer Wohnung zu sorgen. Der Bürgermeister mit seinen vier Gemeinderäten
reagierte erbost auf dieses Verlangen. Sie klärten das Landamt darüber auf, dass kein
Bauer oder hausbesitzender Taglöhner imstande sei, die inzwischen 13 Personen umfassende
Familie zusammen in seine Wohnung aufzunehmen. Sie klagten über die Undankbarkeit der
älteren Kinder des Jacob Gärtner. Mehrere Bürger Steigs hatten ja Kinder aus dieser Familie
aufgenommen und erzogen. Die Gemeindevertreter schrieben, sobalt aber diese Kinder aus der
Schule entlassen wurden, so kündeten solche ihren Wohltätern den Dienst auf, giengen von ihnen
fort, u. beschimpften jetzt fortwährend ihre Wohltäter. Worüber die Jugendlichen schimpften
, schrieben sie leider nicht. Das Wort Dienst zeigt aber an, worum sich der Streit drehte.
Diese Bürger empfanden sich als Wohltäter, da sie die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen
in ihre Familie aufnahmen und ihnen Nahrung, Unterkunft und Erziehung angedeihen
ließen. Wie oben gezeigt, war eine Erziehung zur Arbeit gewünscht. Das geschah natürlich am
besten durch Arbeit. Die eigenen Kinder auf einem Bauernhof oder im Handwerkerhaushalt
mussten in einem Familienbetrieb nicht bezahlt werden, fremde Dienstboten hingegen schon.
Wenn nun die an Kindes statt angenommenen Gärtnerischen Kinder wie eigene Familienmitglieder
behandelt wurden, wurden sie nicht, oder nur mit einem Taschengeld, bezahlt, obwohl

22 GAB 81.

23 Wolfgang Hug: Die Region in ihrer Geschichte. In: Südbaden. Hg. von Alexander Schweikert. Stuttgart
1992, S. 36-99, hier S. 70.

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