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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 107
(PDF, 58 MB)
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dem Meer seien genau kalkulierbar. Die Fahrt nach Nordamerika würde ohne Aufenthalt vonstatten
gehen.

Da Jacob Gärtner, seine Frau Catharina und ihr ältester, inzwischen schon volljähriger Sohn
Philipp, Analphabeten waren, mussten ihnen der Brief und der Informationstext vorgelesen
werden. Das taten möglicherweise die durch fleißigen Schulbesuch dazu befähigten jüngeren
Kinder.29 Jacob Gärtner informierte den Gemeinderat über seine Erkundigungen und erklärte,
er wolle mit seiner Familie nach Nordamerika auswandern. Da seine Vermögensverhältnisse
das natürlich nicht zuließen, und der Kronenwirt 70 Gulden pro Person verlangte, brauchte er
die Unterstützung der Gemeinde. Auf einer Gemeindeversammlung beschlossen die anwesenden
60 Bürger am 10. Januar 1841, dass sie durch die Gemeindekasse die Kosten für die Auswanderung
übernehmen wollten. Die Familie war der Gemeinde schon zu lange zur Last gefallen
. Widerspruch gegen diesen teuren Beschluss gab es nicht. Zahlen wollte man aber erst,
wenn ein Auswanderungsvertrag vorlag. Die Abschrift dieses Gemeindebeschlusses mussten
Jacob Gärtner, seine Frau und die volljährigen Kinder noch unterzeichnen. Durch ihre Unterschriften
- bei den Analphabeten durch ein Kreuz - bezeugten sie, dass sie jederzeit bereit
seien, nach Amerika abzureisen. Zusätzlich erklärte Jacob Gärtner samt seiner Vamilie, wen
er in Amerika in Spätem Jahren zu Vermögen komme so wolle er die aufgelegte Reisekosten
der Gemeinde wieder ersetzen. Die Vorstellung, dass man in Amerika vom Tellerwäscher zum
Millionär bzw. vom Taglöhner zum vermögenden Mann werden könnte, war also in der Zeit
auch im Schwarzwald lebendig. Diese Abschrift schickte die Gemeinde an das badische Landamt
nach Freiburg, da sie eine behördliche Genehmigung brauchte. Das Landamt hatte gegen
den Gemeindebeschluss nichts einzuwenden. Es betätigte sich aber als Auswanderungs-Ratgeber
, indem es mitteilte, dass bei einer Reise nach Amerika durch Frankreich jeder Auswanderer
über 18 Jahren sich mit 400 Gulden und unter 18 Jahren mit mindestens 200 Gulden Vermögen
ausweisen muss. Bei einer Ausreise durch die Niederlande erschien der Behörde der
angesetzte Betrag von 70 Gulden pro Kopf als zu niedrig.

In einem Brief an den Posthalter in Steig erklärte dann Kronenwirt Maurer am 8. April 1841
auch, dass für die Reise mit Verpflegung 95 Gulden pro Person zu bezahlen seien. Der Posthalter
war von der Gemeinde Steig ausgewählt worden, sich um die Auswanderung der Familie
zu kümmern.30 Sternenwirt Fidel Faller (1807-1863) betrieb seit Mitte 1839 die Poststation
im Höllental und führte deshalb den Titel Posthalter. Dadurch, dass am Sternen die Wechselstation
für Postkutschenpferde war, war er von Berufs wegen mit dem Reiseverkehrsgewerbe
vertraut.31 Außerdem hatte Faller durch seinen Holzhandel geschäftliche Kontakte zum Kronenwirt
. Vermutlich verschiffte der Kronenwirt die bei Faller hergestellten Bretter nach Holland
. Jedenfalls teilte ihm Maurer mit, dass er Anfang Mai 1841 mit einem Transport Auswanderer
nach Rotterdam abreisen wolle. Ab Rotterdam war vorgesehen, die Leute durch die
Vermittlung der Schiffsagenten Wambersie & Crooswyck dann in die USA zu verschiffen. Der
Kronenwirt brachte die Auswanderer also nicht selbst bis nach Nordamerika, sondern kooperierte
mit einem anderen Unternehmen. Sein Rheinschiff wäre vermutlich auch nicht hoch-
seetauglich gewesen. Wenn die Gemeinde seinem Angebot zustimme, müsse sie sich bis Ende
April noch um die Reisepässe der Familie kümmern. Die Gemeinde Steig ging auf Maurers
Angebot ein. Den nötigen Pass für Jacob Gärtner und seine Familie schickte das Landamt Freiburg
schon zwei Wochen später mit einem mahnenden Brief an den Gemeinderat von Steig.
Die staatliche Stelle belehrte den Gemeinderat, dass er für alle potenziellen Schäden und Kosten
verantwortlich gemacht werde. Die könnten auftreten, falls für Jacob Gärtner und seine

29 GAB 415: Das Auswanderungswesen, Auswanderungsagenturen, Auswanderungen sowie Entlassungen aus dem
badischen Staatsverband 1840-1898.

30 GAB 415.

31 Rüdiger Hitz (wie Anm. 12), S. 403.

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