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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 110
(PDF, 58 MB)
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haben, indem er ihm vier Gulden in französisches Geld eingewechselt hätte. Das konnte er in
Holland natürlich nicht gebrauchen. Außer schönen Worten sei von dem Bruder in Rotterdam
nichts gekommen. Gärtner erläuterte, dass es mit den versprochenen Lebensmitteln Probleme
gäbe. Für die Familie existierten zwar Lebensmittel für zwei Monate, aber die Kost war nur
für die Fahrt auf dem Meer vorgesehen. Der Kapitän des Hochseeschiffes hatte sie in Verwahrung
genommen und bis zum Reiseantritt versiegelt. Da die Familie nach Gärtners Angaben
schon am 26. Mai in Rotterdam eintraf und am 8. Juni immer noch dort war, musste die
Familie von ihrem eigenen Geld Lebensmittel kaufen. Bei der 13köpfigen Familie schmolz
deswegen das Geld dahin wie Butter in der Sonne. Gärtner stellte fest: zu dem ist auch alles
Erschreglich deier in Rotterdam. Die Zustände von Le Havre, vor denen Maurer in seinem Informationsblatt
als abschreckendes Beispiel gewarnt hatte, trafen die Gärtners in Rotterdam
ebenfalls an, da die versprochene Beförderung nach Amerika ohne Aufenthalt nicht realisiert
wurde. Der in Rotterdam gestrandete Gärtner beklagte, dass ihr Geld deswegen beinahe aufgebraucht
sei. Die Familie befürchte, dass sie bei der Ankunft in Amerika gar kein Reisegeld
mehr übrig haben werde. Gärtner schrieb: so hat uns der grunenwird [= Kronenwirt] und Sein
Bruder in die Welt naus gefiert und hunger leide haben wir misen bis genug[.] wen wir es nur
noch anders machen kenden das wier dem unglik engen [= entgehen] kenden so kernen wir
wider auf den Schwarzwalt. Wo der Kronenwirt meinte, dass sie die Reise ins gelobte Land
angetreten hätten, hoffte Gärtner nur, dass sie dem Unglück entgehen könnten.

Über die Schiffsagenten Wambersie & Crooswyck berichtete er, es hätten ihm mehrere
Leute gesagt, agend werde uns verkaufen^] es ist Schier so gegangen. Die Familie fühlte sich
in Rotterdam also verraten und verkauft und wäre am liebsten wieder in den Schwarzwald
zurückgekehrt. Gärtner grüßte am Ende des Briefes Ale meine Bekande und Wolldeter, aus
Herzen. Anders als die kritisierten Gebrüder Maurer und Schiffsagenten kamen im Brief aus
Rotterdam seine ehemaligen Gastgeber im Kehr, die Wohltäter, positiv weg. Die Reise nach
Amerika beschrieb Gärtner jedoch auch als Kehr. Genau wie der Kronenwirt, der nach Steig
schrieb, das ich nicht um 2000f [Gulden] wieder ein solches Kehr übernehmen würde.

Die Familie Gärtner trat schließlich die Reise über See nach Amerika an. Über ihr weiteres
Schicksal ist in den eingesehenen Quellen nichts vermerkt. Sie kehrte jedenfalls nicht in
den Schwarzwald nach Steig zurück. So konnte der Kronenwirt nach vier Monaten die Gemeinde
darauf hinweisen, dass für die vertragsgemäße Lieferung der Familie nach Nordamerika
die vereinbarte Zahlungsfrist von längstens vier Monaten schon überschritten sei, und er
die ausstehenden 600 Gulden per Post zugesandt haben wolle.33 Trotz des Briefes von Gärtner
beschloss der Gemeinderat am 15. September 1841, die Forderung zu begleichen. Da die
Gemeindekasse ganz leer war, musste die Gemeinde zur Bestreitung der Kosten eine Umlage
beschließen. Wie bei der Familie Gärtner war Amerika das Ziel der meisten Auswanderer aus
Steig im 19. Jahrhundert. Einige wenige Auswanderer verließen Steig auch Richtung Australien
.34

Zum Abschluss sei hier noch erwähnt, dass der oben genannte Robert Thoma, der im Januar
1845 als Siebenjähriger von seiner Mutter Theresia Thoma getrennt wurde und mit seinen beiden
Geschwistern in den Kehr treten musste, 1866 als Sträfling und zukünftiger Auswanderer
wieder in den Akten auftauchte. Die frühe Trennung und der Kehr hatten wohl nicht dazu beigetragen
, aus ihm einen gesetzestreuen Bürger zu machen. Er befand sich 1866 zum dritten
Mal in der Strafanstalt aufgrund verschiedener Vergehen, u.a. wegen Diebstahl. Die Zellenge-
fängnisverwaltung Bruchsal wollte 1866 wissen, ob die Gemeinde Steig es unterstützen würde,
wenn Thoma nach Amerika auswandern würde. Die Gemeinde hatte kein Interesse, Thoma
wieder zurück nach Steig kehren zu lassen. Sie befürwortete den angeblichen Auswande-

33 GAB 415.

34 GAB 575.

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