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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 115
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leid, daß er nicht mehr Kämpfer für die Monarchie vernichtet habe", so ein Pressebericht aus
jenen Tagen.5 Eine Überprüfung des Urteils durch Corps- und Generalauditoriat, Gnadengesuche
beim König von Preußen, auch vonseiten der Mutter und im letzten Augenblicke von
Dortu selbst,6 fruchteten nichts, so dass das am 30. Juli bestätigte als erstes von insgesamt 27
Todesurteilen nächsten Tages in der Frühe in Freiburg nach Soldatenart vollstreckt wurde.7

Schon bald nach dem Hinscheiden Dortus erschien in Berlin eine „seinen Eltern und Freunden
" gewidmete Erinnerungsschrift,8 die den Grundstein für die nachfolgende „Heldenverehrung
" legen sollte und schon im Titel die Intention deutlich erkennen lässt. In der hier wiedergegebenen
Trauerrede des Potsdamers Dr. Lehmann auf Dortu begegnen uns alle die
Epitheta, welche in späteren Publikationen bis auf den heutigen Tag immer wiederkehren.9 Als
Märtyrer bereits im Titel gefeiert, zieht sich durch die gesamte Ansprache ein religiös verbrämter
Heldenmythos, der weder dem Menschen Dortu noch der politischen Situation gerecht
wird. Eine Damnatio vorab - „dreifach wehe denen, die den Gegenstand unserer Liebe grundlos
verdächtigen, ihm [...] allerlei Uebel nachreden und vor Gott und vor der Welt verächtlich
machen!"10 - soll Zweifel an der Heldenfähigkeit von vornherein einen Riegel vorschieben.
„Schon seine äußere Erscheinung gab Zeugniß eines kindlichen Sinnes, einer durch keine Art
der Ausschweifungen verderbten Sittenreinheit, einer ungeschwächten männlichen Kraft";11
ähnlich artikulierte dies auch eine Deputation Potsdamer Bürger in einer Huldigungsschrift an
den Vater: „Aufgegangen ist das verklärte Bild Ihres Sohnes, ein Bild in jugendlicher Frische
und Schönheit, in ungeschwächter Sittenreinheit, ein Bild, welches in uns leben wird, und uns
durch keine Gewalt und durch keinen Wechsel der Zeiten entrissen werden kann noch wird."12
Und der Vater lässt die Zielrichtung vollends deutlich werden, wenn er verkündet: „Meine
Trauer über den Tod meines Sohnes ist jetzt gemildert durch die fast allgemeine Theilnahme,
die sein Schicksal gefunden. Der Heldenmuth, mit welchem er gestorben, macht mir schon
jetzt manche wehmüthige Freude."13 Einem Freunde seines Sohnes bedeutete er, „es würde für
ihn eine große Beruhigung sein, wenn die Hinrichtung seines Sohnes die erste und auch die
letzte dieses Kriegsgerichts gewesen wäre, und wenn er dadurch das ganze Märtyrerthum für
die gute Sache allein auf sich hätte nehmen können".14 Hier lässt sich der Ausgangspunkt für
die nachfolgende, bis heute anhaltende unkritische Heldenverehrung festmachen, die den
Menschen hinter der Ikone verschwinden lässt.

In den Erinnerungen der an der Reichsverfassungskampagne im Südwesten Deutschlands
beteiligten führenden Köpfe wird Dortus in zuweilen emphatischer Weise gedacht. Wilhelm
Liebknecht, mit Dortu zusammen im „Club des entschiedenen Fortschritts" im Juni 1849 tätig,
erinnerte sich noch im Jahre 1894 des „herrlichen Max Dortu, dessen schlanke kräftige Gestalt
und keckes strahlendes Auge ich noch heute so lebendig vor mir sehe, als hätte ich erst gestern
hineingeschaut und als läge er nicht schon, von preußischen Standrechtskugeln zerschmettert,
seit 45 Jahren auf dem Kirchhofe zu Wiehre vor Freiburg im Breisgau. Ich bin in meinem
Leben keinem zweiten begegnet, der dem Ideal eines jungen Helden so nahe kam, wie Max

5 „Württembergisches Seeblatt" No. 122 vom 6.VIII.1849; StAF, A 93/1 3, f. 12.

6 Nach Haeckel (wie Anm. 1), S. 53 f.

7 Vgl. den Bericht im „Württembergischen Seeblatt" (wie Anm. 5).

8 W. B.: Max Dortu aus Potsdam, erster Märtyrer des preußischen Kriegs-Gerichts in Baden. Erschossen am 31.
Juli 1849. Berlin 1849.

9 Vgl. hierzu Karlheinz Deisenroth: Potsdam in Freiburg. Dortus Grab. In: Schau-ins-Land 115, 1996, S.
143-158, hier S. 154 f., Anm. 7 u. 8.

10 W. B. (wie Anm. 8), S. 5.

11 Ebenda, S. 7.
'2 Ebenda, S. 12.
'3 Ebenda, S. 14.
i4 Ebenda, S. 14 f.

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