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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 120
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nes der von dem früheren SED-Dokumentarfilmer Gass (geb. 1917) zusammengestellte und
von der Landeszentrale für politische Bildung geförderte Versuch einer unkritischen Annäherung
an Dortu,44 der dem in den letzten Jahrzehnten geformten Klischee des Helden das sozialistische
Heiligenbildchen aufklebt. Die darin angesprochene Aufforderung an die offiziellen
Stellen Potsdams, diesem ,Märtyrer' die gerechte Würdigung zuteil werden zu lassen und
ihn, neben der Aufstellung einer Büste, zum Ehrenbürger der Stadt Potsdam posthum zu ernennen
, hat noch einmal um den 175. Geburtstag herum in der Öffentlichkeit zu einer Diskussion
um die Denkmalswürdigkeit seiner Person geführt.45 Die Stadt Potsdam, die sich bislang
eher bedeckt hielt, hat zumindest durch das Kulturamt Unterstützung für ein bis zum Jahre
2003 fertig zustellendes Gedenkkunstwerk signalisiert.46 Die Frage einer Ehrenbürgerschaft
jedoch wurde zum Anlass für ein neu zu regelndes Ehrenbürgerrecht genutzt, das nur lebenden
Zeitgenossen diese Würde zugesteht.47 So ist der „Max-Dortu-Preis" des Fördervereines
der „Max-Dortu-Grundschule" für besondere schulische Leistungen sowie die tägliche Nennung
seines Namens durch die städtischen Verkehrsbetriebe, die ihn beharrlich mit falscher,
weil deutscher Pronunziation an der Haltestelle Dortu-/Charlottenstraße ausrufen lassen, neben
der schon erwähnten Plakette am Geburtshause derzeit die „einzige" öffentliche Erinnerung
an den umstrittenen Sohn der Residenzstadt.

Das Bild Dortus scheint so bis zum heutigen Tage verzeichnet und unscharf; die Person des
Handelnden eignet sich jedoch, wie wir gesehen haben, kaum zur politischen Agitation, sondern
muss im historischen Gesamtrahmen unter den Bedingungen ihrer Zeit gesehen und gewertet
werden. Lassen wir einmal die nach dem gescheiterten Aufstande erschienenen und
zumeist stark parteiischen Pamphlete beiseite und konzentrieren uns auf die tatsächlichen Gegebenheiten
, so erkennen wir in Dortu das Kind wohlhabender Eltern, geborgen in bürgerlicher
Behaglichkeit, dürstend, die Langeweile eines vorgezeichneten ,geordneten' Lebensweges
vor dem Hintergrunde der revolutionären Erhebungen in Europa und dem Bewusstsein
von der Bedeutung und den Möglichkeiten der eigenen Person in der Rolle des an vorderer
Front mitentscheidenden Führers zu vertauschen. Der kurze Rausch endete tödlich; während
sich die Agitatoren bereits rechtzeitig der Verantwortung entzogen hatten, kämpfte Dortu, befangen
in seiner Subalternität und wähnend, der demokratischen Freiheit zu dienen, auf verlorenem
Posten. Revolutionär oder Revoluzzer - wir vermögen die Frage sicher nicht letztgültig
zu entscheiden, doch sollten wir den Fehler vermeiden, von der totalen Verdammnis der
„48er" in den nachfolgenden Jahrzehnten in eine Glorifizierung jener zu verfallen, die aus den
unterschiedlichsten Motiven heraus den Weg des Widerstandes und des Aufruhrs im Namen
der Freiheit gegangen sind. Die altpreußische Maxime „Suum cuique", „Jedem das Seine" zu
gewähren, könnte auch in der Beurteilung Max Dortus zu einem seiner Person gerechter werdenden
Urteil fuhren, statt ihm Kränze zu winden, wie es die Panegyrik 1849 erhoffte:

„Ward er auch still begraben,
Vergessen wird er nicht:
Dafür sorgt die Geschichte,
Die ihm doch Kränze flicht."48

44 Vgl. Anm. 33.

« „PNN" vom 29.VI.2001, 30.VI.2001, 23.VII.2001; „MAZ" vom 30.VI.2001.

46 „PNN" vom 30.VI.2001: „Der vergessene Revolutionär".

47 Auskunft des Stadtverordneten Dr. Klaus Arlt, Potsdam, an den Verfasser.

48 W. B. (wie Anm. 8), S. 16.

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