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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 123
(PDF, 58 MB)
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der in Paris weilte, lässt sich nicht ermitteln. Überhaupt ist die Quellenlage für einen Biographen
von Benjamin Herder nicht sonderlich günstig.4

Albert Maria Weiß, Dominikaner und Professor für Apologetik, hat dem heiß verehrten
Freund zwei Jahre nach dessen Tod eine biographische Würdigung verfasst. Sie beruht auf persönlicher
Erinnerung und auf Unterlagen aus dem Verlag. Weiß stellte sie unter das Leitmotiv
„Fünfzig Jahre eines geistigen Befreiungskampfes". Damals wusste man am Ende des Kulturkampfes
noch, was damit gemeint war. Alfons Kasper hat diesen Text in hagiographischer
Absicht für den Jubiläumsband „Im Dienst am Buch" 1951 überarbeitet. Etwas nüchterner hat
Gwendolin Herder in ihrer Dissertation die „volksbildnerische Verlagsarbeit" des Verlages
Herder in den Jahren von 1837 bis 1848 (und damit die Anfänge Benjamin Herders) dargestellt
.5 Am unmittelbarsten tritt uns die Figur Benjamin Herders aus den Erinnerungen entgegen
, die Philipp Dorneich mit dem Titel „Vor fünfzig Jahren" 1929 verfasst hat.6 Dieser Philipp
Dorneich scheint mir übrigens aus der Generationsfolge der Verlegerdynastie ganz zu Unrecht
ausgeblendet zu sein. Ich selbst konnte zahlreiche Briefe - wenn auch oft nur in
Regestenform - aus dem Archiv und z. T. aus Publikationen - und andere Quellen im Verlagsarchiv
heranziehen, um die Portraitskizze von Benjamin Herder mit Konturen zu versehen.
Aber selbst die Überlieferung bestätigt, was Weiß in seiner Biographie einmal so formulierte:
„Etwas Unnahbares hing ihm (B. H.) immer an." So verraten die Quellenzeugnisse auch nicht
sehr viel von der Persönlichkeit Benjamin Herders. Weiß schildert seinen Helden bei aller Verehrung
mit den Worten: „Er war eine ziemlich steife, vornehme Erscheinung, zurückhaltend,
wortkarg, trocken und ernst und nichts weniger als weich. Durch Zärtlichkeiten ist er gewiss
in seinem Leben niemand lästig gefallen. Auch seine innigsten Freunde werden ihm nicht
nachsagen, dass er zu den sogenannten liebenswürdigen Menschen gehörte."7 Kasper hat dann
solche Passagen in der überarbeiteten Fassung der von Weiß verfassten Biographie 1951 getilgt
.

Erinnern wir zunächst die Lebensdaten des Verlegers der zweiten Generation in der Familie
Herder, und zwar im Kontext mit dem Ereignisgerüst der Geschichte. Am 11. März 1839
starb der Vater, sieben Wochen später, am 1. Juni, die Mutter des 20-jährigen Benjamin Herder
. Dieser war gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Karl Raphael zum Erben eingesetzt
worden. Über die Abfindung der sechs Schwestern wird nichts berichtet; die Verlagshandlung
Herder war ohnehin heruntergewirtschaftet und erheblich verschuldet: eine Tatsache,
in der Gwendolin Herder den Grund dafür sieht, dass man 1840 sogleich Rottecks Weltgeschichte
(zum stolzen Preis von 10.0000 Gulden) an Westermann verkaufte.8 Benjamin übernahm
die inhaltliche Leitung des Unternehmens, sein Bruder die kaufmännische.

In den Folgejahren fädelte sich Benjamin Herder in die erwachende „katholische Bewegung
in Baden" ein, wie sie Julius Dorneich getauft hat.9 Man könnte sie auch als Frühphase des
„politischen Katholizismus" oder die Anfänge der „ultramontanen Bewegung" bezeichnen. In
der Auseinandersetzung mit dem Deutschkatholizismus seit 1844 und dann im Widerstand gegen
die Revolution von 1848/49 hat sich Benjamin Herder mit dieser Bewegung kirchen- und
konfessionspolitisch profiliert, hat den Verlag durch eine existenzbedrohende Krise geführt
(denn die Revolution hatte das Unternehmen nahezu lahmgelegt) und er hat zugleich im ersten

4 Das Archiv des Verlags litt schwer unter dem Bombenangriff auf Freiburg am 27.11.1944.

5 Weiss (wie Anm. 1); Albert Maria Weiss: Benjamin Herder 1818-1888. Neu bearbeitet von Alfons Kasper.
In: Weiss/Krebs (wie Anm. 2), S. 43-219; Gwendolin Herder: Entwicklungslinien volksbildnerischer Verlagsarbeit
. Der christliche Buchhandel am Beispiel des Verlags Herder in Freiburg im Breisgau. Bonn 1989.

6 Philipp Dorneich: Vor fünfzig Jahren 1879-1885. Rückblicke eines Herderschen Zöglings. Freiburg 1929.

7 Weiss (wie Anm. 1), S. 146.

8 Bartholomä Herder verlegte mehrere frühe Werke von Rotteck. Später veröffentlichte Rotteck seine Schriften in
anderen Verlagen, u. a. bei Friedrich Cotta.

9 Julius Dorneich: Franz Josef Buss und die katholische Bewegung in Baden. Freiburg 1979.

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