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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 127
(PDF, 58 MB)
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Zu solchen Verhältnissen bildete Benjamin Herder schon als Privatmann ein Gegenmodell.
Täglich besuchte er die Heilige Messe (um 7 Uhr im Münster), regelmäßig ging er zusammen
mit seiner Frau zum Tisch des Herrn, auch auf Reisen, auch bei den Kuraufenthalten. Zum Rosenkranz
ließ Benjamin Herder das ganze Dienstpersonal des Hauses um 8 Uhr im Esszimmer
sich versammeln und das Gebet verrichten, wobei er selbst auf dem Betstuhl, Frau Emilie mit
dem Personal auf dem Fußboden knieten.20 Eine Szene von unerhörter ikonischer Prägnanz!
Ein Leitspruch Benjamin Herders lautete: „Das Gebet muss Geschäft sein, und das Geschäft
Gebet." Man mag den Spruch nach verschiedenen Richtungen deuten. Den Zeitgenossen bedeutete
er ein Zeugnis der christlichen Grundhaltung Herders.21 Eine Charakterskizze in den
Historisch-Politischen Blättern 1864 urteilte über ihn, er sei „ein Mann von ausgezeichneter
Geschäftstüchtigkeit und so entschieden katholischer Richtung, dass er sich eher vom Buchhandel
zurückziehen als einen Verlagsartikel übernehmen würde, welcher den Lehren der Kirche
irgendwie den Krieg machen würde".22 Benjamin Herder genoss den Ruf, ein überzeugter
Anhänger der einen, alten Kirche zu sein. Doch seine Religiosität erschöpfte sich nicht in Gebet
und Gottesdienst. Kurz nach der Hochzeit sagte der 46jährige zu seiner Frau: „Ich habe
bisher die Gewohnheit gehabt, alle Tage ein Armes oder Krankes persönlich zu besuchen. Ich
werde das auch in Zukunft fortsetzen. Es wäre mir lieb, wenn auch du das Gleiche tätest." Frau
Herder tat es, solange ihre Kräfte ausreichten!23 Das Leitwort Benjamin Herders hieß „Sur-
sum": Aufwärts. Darum war eingangs von seinem unerschütterlichen Glauben an das Jenseits
die Rede. Sursum, das war im übrigen auch das geistliche Programm des Freiburger Münsters.
Dabei ist an seine vielen Leiden zu erinnern, die er bis zum Ende mit der Bereitschaft ertrug:
„Wie Gott will!"24 Mich erinnert Herders religiöse Grundhaltung an das Wort, das sich ein
Lehrer aus dem letzten Jahrhundert hier in der Nähe auf seinen Grabstein einmeißeln ließ:
„Religion ist Ordnung."

Gegenüber Franz Joseph Mone, dem Direktor des Badischen Generallandesarchivs und Mitbegründer
der katholischen Bewegung, bezeichnete sich Benjamin Herder 1846 selbst als den
einzigen katholisch gesinnten Verlagsbuchhändler im Lande. Als solcher sah er seine vornehmste
Aufgabe darin, „katholisches Wissen und Leben zu fördern", und zwar nicht durch
Massenware, sondern „durch gediegene Erzeugnisse".25 Die Katholiken steckten nach seiner
Meinung zu sehr im Mittelmaß. Sie waren allzu schnell mit dem Nächstbesten zufrieden. Er
verlangte Qualität. Besser zu sein als die andern war ihm wichtiger als billiger zu sein. Das
Wort „genug" habe er nie ausgesprochen, berichtet sein Biograph Albert Maria Weiß.26

Angesichts der Spannungen und Zerreißproben zwischen den Theologen in der zweiten
Jahrhunderthälfte (grob gesagt zwischen Modernisten und Integralisten) verlangte es vom katholischen
Verlagshaus Herder eine Grat Wanderung, um einen klaren Kurs zu halten. Drohte
nicht ständig der „Index" der verbotenen Bücher und der römische „Syllabus"? Als Maßstab
betrachtete Benjamin Herder „den allgemein katholischen Charakter". Aber er konnte bei dem
Drahtseilakt das Gleichgewicht nur mit einer sehr breiten Balancierstange halten, auf der (um
im Bild zu bleiben) viele Gewichte links und rechts aufgelegt waren. Dabei hing die Waage
allerdings doch ein wenig nach rechts zu den Integralisten und Neuscholastikern. Man könnte
anhand der Autoren und ihrer Werke, die bei Herder verlegt wurden, durchaus viel von der
wechselvollen und diskontinuierlichen Geschichte des deutschen, ja des Weltkatholizismus im

20 Die Szene beim Rosenkranzgebet ist bezeugt durch Dorneich (wie Anm. 6), S. 66; auch Kasper (wie Anm. 5),
S. 212.

21 „Das Gebet muss Geschäft sein..." in: Kasper (wie Anm. 5), S. 211.

22 Historisch-politische Blätter 1864, S. 77.

23 Weiss (wie Anm. 1), S. 145.

24 Kasper (wie Anm. 5), S. 205.

25 Brief an Hergenröther vom 17. 2. 1855.

26 Weiss (wie Anm. 1), S. 64.

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