Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 155
(PDF, 58 MB)
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Reaktion entnehmen, die darauf hindeuten würde, dass die beiden angeblichen Gillmann-
Töchter bei der Erbschaft angemessen berücksichtigt wurden. Zugleich rückt einmal mehr die
Person der Universalerbin Maria Magdalena Flum ins Zentrum des Interesses, wobei die ihr
testamentarisch zugesprochenen Rechte zur bloßen Nutznießung des hinterlassenen Erbteils
unter Umständen darauf hindeuten könnten, dass Gillmann im Rahmen von Vereinbarungen,
die im Zuge der Verlassenschaftsverhandlung gerade nicht explizit zur Sprache kamen, seine
beiden Kinder quasi posthum und privatim versorgen half. Ein direkter Beweis hierfür hat sich
bislang allerdings nicht beibringen lassen.91

Zwischen Vikariat, Pfarrverweser-Dasein und Tischtitulatur:
die Personalakte als Spiegel eines Priesterlebens

Aus den bisherigen Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, dass Heinrich Hansjakob mit
seinem Seitenhieb auf den notorisch sparsamen Pfarrer von Wittichen einen Priesterkollegen
aufs Korn nahm, der alles andere als eine alltägliche Figur gewesen sein muss. Aufgrund unserer
Durchsicht der Gillmannschen Hinterlassenschaftsakte wird man vielmehr davon ausgehen
müssen, dass wir hier eine historische Persönlichkeit fassen, die auch hinsichtlich ihrer
Beziehungen zum unmittelbaren verwandtschaftlichen Umfeld geschickt zu agieren verstand
und noch gegen Ende ihres Lebens Tatbestände, die in den Augen der Merdinger Familienangehörigen
zweifellos als skandalös angesehen wurden, unter Anwendung von Mitteln, die wir
- zumindest hypothetisch - als juristische Winkelzüge zu charakterisieren geneigt sind, in den
Hintergrund zu drängen wusste. Lässt sich dieser Verdacht aufgrund weiterer Fakten und Indizien
zusätzlich erhärten? Mit dieser Frage konfrontiert, scheint es mir bedeutsam daraufhinzuweisen
, dass das Erzbischöfliche Archiv in Freiburg eine umfangreiche Personalakte Gillmanns
aufbewahrt, die hinsichtlich ihrer Genese, Vielschichtigkeit und Komplexität ihresgleichen
sucht und es zweifellos wert wäre, im Rahmen einer umfassenden Monographie
eingehend untersucht und gewürdigt zu werden.92 Die in diesem (schon aufgrund seiner Ma-

91 So habe ich beispielsweise sowohl im StadtAF als auch im StAF vergebens nach Unterlagen (Hinterlassenschaftsakten
, Gerichtsprotokolle usw.) gefahndet, die uns unter Umständen weiteren Aufschluss über das Schicksal
des 1897 in die Nutznießung der Pfarrhaushälterin übergegangenen Vermögensanteils geben könnte. (Die
mexikanischen Anleihen sowie die Aktien der Badischen Uhrenfabrik gingen, wie in Anm. 78 bereits bemerkt
wurde, möglicherweise in den Besitz des Bankiers Dukas über!) Auch entsprechende Akten zu Oliva Frida Hug
ließen sich bislang nicht aufspüren. Möglicherweise würde eine Konsultation der in Freiburg und Schramberg
aufbewahrten Personenstandsbücher neue Erkenntnisse zum Schicksal der angeblichen Gillmann-Tochter zutage
fördern, doch ist, wie mir am 30. Juli 2001 vom Freiburger Standesamt brieflich mitgeteilt wurde, eine Einsichtnahme
in die entsprechenden Register im vorliegenden Fall lediglich für Nachfahren der betreffenden Personen
möglich. Als ganz unzuverlässig und irreführend ist jedenfalls die im Kreis der Merdinger Verwandten
bzw. Nachkommen der Angehörigen Benedikt Gillmanns kursierende mündliche Überlieferung zu werten, die
unisono von nur einem einzigen und dazu früh verstorbenen Kind einer Pfarrhaushälterin wissen will. Ob hier
kollektive Verdrängungsmechanismen oder aber ein bewusstes Verwischen von Spuren (etwa von Seiten Gillmanns
) am Werk waren, lässt sich nach mehr als einem Jahrhundert nicht mehr sicher entscheiden. Mein persönlicher
Eindruck hierbei war stets, Zeuge des fortgesetzten Wirkens einer selbst für heutige Verhältnisse als
äußerst delikat empfundenen Form der 'oral poetry' geworden zu sein.

92 Der gesamte Personalaktenbestand ist vor einigen Jahren bis auf weiteres für die Benutzung gesperrt worden.
Umso größer ist mein Dank für die mir am 2. August 2001 erteilte Sondergenehmigung durch den H. H. Generalvikar
. Aufgrund der derzeit geltenden 'Grundsätze zur Nutzung gesperrten kirchlichen Schrift- und Dokumentationsgutes
aufgrund von Sondergenehmigungen' beschränke ich mich in den folgenden Abschnitten auf
die Wiedergabe und Diskussion einiger weniger Stücke der Gillmann-Akte, soweit sie der Aufhellung des historischen
Hintergrundes dienen und der Interpretation des Hansjakobschen Verdikts förderlich sind. Der Vollständigkeit
halber sei darüber hinaus darauf hingewiesen, dass das besagte Konvolut bereits in der umfangreichen
Monographie von Irmtraud Götz v[on] Olenhusen: Klerus und abweichendes Verhalten. Zur Sozialgeschichte
katholischer Priester im 19. Jahrhundert: Die Erzdiözese Freiburg (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft
106). Göttingen 1'994, S. 195, erwähnt wird.

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