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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 166
(PDF, 58 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0166
leute' noch lebenden Pensionär Benedikt Gillmann war, die den Dichter davon abhielt, den
Witticher Freund des Protagonisten auch in dieser Erzählung auftreten zu lassen, lässt sich auf
der Basis unseres derzeitigen Wissens nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglicherweise gelang
es Hansjakob aber dennoch, zumindest eine Spur zu Gillmann zu legen, findet sich in diesem
Text doch eine seltsam anmutende Szene, die vom Verfasser ausdrücklich in die siebziger Jahre
des 19. Jahrhunderts datiert wird:

In Wittichen war es auch, wo sie in den siebziger Jahren einmal ein unehelich Kind von
den Bergen herabbrachten, dem niemand Pate sein wollte. Da saß in der Schmutzküche
der Teufelsteiner, und den sprach der Pfarrer um die Patenstelle an. Er sagte zu, wollte
aber nicht in dem alten Waldkittel, den er eben anhatte, der heiligen Handlung beiwohnen
, darum zog er einen langen, schwarzen Rock des Pfarrers an und hob das Kind über
die Taufe.135

Die unpräzise Zeitangabe verunmöglicht eine sichere Zuweisung des Vorgangs an Benedikt
Gillmann,136 amtierte der Freund des Teufelsteiners doch, wie bereits bemerkt wurde, nur zu
Beginn der siebziger Jahre als Pfarrer von Wittichen.137 Darüber hinaus lässt sich dem soeben
zitierten Erzählabschnitt kein sicherer Hinweis auf die bereits behandelten heiklen Punkte der
Gillmannschen Vita entnehmen. Könnte der Text aber nicht dennoch einen Hansjakobschen
Seitenhieb auf die Nachkommen des ehemaligen Witticher Geistlichen enthalten, der, wie die
Durchsicht der Hinterlassenschaftsakte gezeigt hat, noch gegen Ende seines Lebens mit seinen
beiden Töchtern persönliche Kontakte pflegte? Dass der Dichter selbst in Bezug auf illegitimen
Klerikernachwuchs eine ausgesprochene Sensibilität entwickelt haben dürfte, belegt
die Tatsache, dass auch er, wie es den Anschein hat, mit Nachkommenschaft gesegnet war.138
Auch der Umstand, dass sowohl Hansjakob als auch Gillmann aus politischen Gründen zu längeren
Haftstrafen verurteilt wurden,139 scheint beide Kleriker einander anzunähern. Mög-

135 Zitiert nach: Heinrich Hansjakob: Der Fürst vom Teufelstein. In: Ders.: Waldleute. Erzählungen. Illustriert von
W[ilhelm] Hasemann. Stuttgart [21897?], S. 1-181, hier S. 99 f., wobei der zitierte Textausschnitt mit dem entsprechenden
Text der derzeit greifbaren Neuausgabe (siehe Anm. 134), S. 13-121, hier S. 72, identisch ist und
sich damit eine Diskussion möglicher Varianten erübrigt.

136 Eine exakte Datierung des diesem Erzählabschnitt zugrunde liegenden historischen Sachverhalts wäre zwar aufgrund
der Taufeinträge im Kirchenbuch der Gemeinde Wittichen grundsätzlich möglich, doch ist meiner Einschätzung
nach das eigentliche Problem, nämlich die Frage nach der Interpretation dieser Szene im Sinne eines
ironischen Seitenhiebs des Erzählers auf die Nachkommen Gillmanns, damit nicht gelöst. Im übrigen wissen
wir letztlich nicht, ob Hansjakob den Zeitpunkt der Taufe korrekt zu erinnern im Stande war.

137 Der Zeitpunkt des Dienstantritts lässt sich präzise bestimmen: Nach der Registratur-Note in der Personalakte
wurde der bis dahin in Saig tätige Benedikt Gillmann von seiten der Kirchenbehörde aufgrund eines am 8. November
1871 gefassten Beschlusses nach Wittichen angewiesen. Saig hatte offensichtlich nur als Zwischenstation
gedient, datiert der entsprechende Versetzungsbeschluss doch erst vom 30. Mai 1871. (Der genaue Termin
des Stellenantritts in Saig lässt sich - wiederum aufgrund einer Registratur-Note in der Personalakte - auf den
5. Juni 1871 datieren.)

138 Hierzu siehe Hildenbrand: Heinrich Hansjakob - Rebell im Priesterrock (wie Anm. 3), S. 194-201; weiter:
Thomas Lehner: Heinrich Hansjakobs wunde Stelle. Materialien zum Privatleben eines Schwarzwälder Heimatdenkmals
. In: Allmende 18/19, 1987, S. 194-209.

139 Vgl. Hansjakobs Werke: Auf der Festung. Erinnerungen eines badischen Staatsgefangenen. Würzburg 1870; Im
Gefängnis. Neue Erinnerungen eines badischen Staatsgefangenen. Mainz 1873. Literatur: Hildenbrand: Heinrich
Hansjakob - Rebell im Priesterrock (wie Anm. 3), S. 11, 54, 135, 155, 159, 225; weiter: Ders.: Heinrich
Hansjakob als Politiker (wie Anm. 3), S. 55; Ders.: „Europa ist ein einziges, befestigtes Kriegslager". Heinrich
Hansjakob als Pazifist. In: Allmende 3, 1983, Heft 3, S. 74-84, hier S. 74 u. 77. Auf die im Frühjahr 1855 erfolgte
kurzfristige Inhaftierung Gillmanns in der Festung Rastatt, die aufgrund eines am 7. März 1855 in Bruchsal
gefällten und am 17. April 1855 vom Hofgericht des Mittelrheinkreises (II. Senat) verkündeten Gerichtsurteils
aufgrund des 'Verbrechens der Majestätsbeleidigung' zustande kam, - das dabei verhängte Strafmaß betrug
neun Monate Festungshaft -, kann ich im vorliegenden Zusammenhang nicht detailliert eingehen. Ich
verweise stattdessen auf die Gillmannsche Personalakte, in der die entsprechenden Vorgänge anhand zeitgenössischer
Dokumente belegt sind. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Delinquent, der zu jener Zeit
als Pfarrverweser in Handschuhsheim (Dekanat Weinheim zu Heddesheim [bei Mannheim]; hierzu siehe Anm.

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