Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 180
(PDF, 58 MB)
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schäftigung nachzuweisen, für welche das Arbeitsamt in Freiburg keine arbeitssuchend^ Person
hatte ausfindig machen können. Damit bestand ein faktischer Zuzugsstopp.68

Auch Olga Hempel konnte sich nicht direkt in Freiburg niederlassen, sondern zog zunächst
nach Badenweiler. Die dortige Wohnung hatte ihr alter Freund Georg Pietrkowski vermittelt,
der sie bereits 1897 bei ihrer ersten Ankunft in Freiburg unterstützt hatte. Doch Olga Hempel
wollte wieder in Freiburg wohnen, schließlich sollte ihre älteste Tochter vom 1. Oktober an
dort das Gymnasium besuchen. Tatsächlich hatte sie bereits eine Arbeit gefunden: Das Sanatorium
„Rebhaus" in Günterstal bot ihr an, sie als Ärztin zu beschäftigen, allerdings nur als
Ganztagskraft. Olga Hempel lehnte jedoch ab, denn sie wollte und musste sich auch um ihre
10-, 15- und 16-jährigen Kinder kümmern. Parallel zur Stellensuche führte sie ein Jahr lang
einen erbitterten Kampf mit den städtischen Behörden: Tagtäglich lief ich aufs Wohnungsamt
u. machte dort Skandal - man sah mich nicht gern kommen! Auch wenn sie zwischendurch
mit kollektivem Selbstmord drohte, falls ihr keine 3-Zimmer-Wohnung zugeteilt würde,
scheint sie jedoch nicht zu den unangenehmsten Kunden des Wohnungsamtes gehört zu haben
.69 Tatsächlich wurden die dortigen Beamten aufs heftigste beschimpft, was zu einer Reihe
von Strafanzeigen führte. Olga Hempels Name findet sich nicht unter den Beschuldigten.70

Gleichwohl war ihre Wohnsituation unerträglich: Seit Oktober 1919 hauste die Familie in
einer Freiburger Pension, bis sie auch diese wegen Überfüllung verlassen musste. Anschließend
kamen die vier Hempels notdürftig bei Freunden von Georg Pietrkowski unter. 1920 endlich
konnten sie eine Dachwohnung in der Erwinstraße, liebevoll Erwinshöhe tituliert, beziehen
. 13 Jahre lang sollte Olga Hempel hier wohnen. Die ganze Zeit über verdiente sie sich als
Pensionswirtin mit Untervermietungen ein kleines Zubrot. Sie nahm Kinder aus ihrem breiten
Bekanntenkreis auf, die meist in Freiburg studierten wie z.B. einen Neffen des Freiburger Philosophieprofessors
Heinrich Rickert.71 Es ist anzunehmen, dass sie ihren Gästen so manches
Mal den kleinen Sohn Reinhardt anvertraut hat, wenn sie einer ihrer vielfältigen Beschäftigungen
nachging. Während Tochter Marianne in Freiburg blieb, hier ihr Abitur bestand und
einige Semester Medizin studierte, kehrte die zweite Tochter Eleonore schon nach etwa zwei
Jahren zu ihrem Vater nach Berlin zurück.72

Schon bald nach ihrer Ankunft in Südbaden war klar, dass Olga Hempel nicht mehr als Ärztin
würde arbeiten können. Sie musste sich nach dem engen Arbeitsmarkt richten und konnte
anfangs nur Gelegenheitsjobs und kleinere Aufträge ergattern. So schrieb sie nächtelang
Adressen ab, fertigte Übersetzungen an und gab Unterrichtsstunden. Nach drei Jahren erhielt
sie ihre erste feste Anstellung bei der Firma Rosenberg, die gerade erst von der Bertoldstraße
in die Weberstraße umgezogen war und pharmazeutische Präparate herstellte.73 Ihre Aufgabe
bestand darin, die wissenschaftliche Bibliothek zu ordnen und zu katalogisieren.74 Da ihr
Arbeitsplatz mitten in der Stadt lag, konnte Olga Hempel mittags nach Hause fahren und ihre
Familie versorgen. Das Mittagessen bereitete sie frühmorgens zu und verstaute es, wie in

68 Vgl. Heiko Haumann: Enttäuschte Hoffnungen auf eine neue Gesellschaft: Revolution und Räte 1918-1920. In:
Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 3: Von der badischen Herrschaft bis zur Gegenwart. Hg. von
Heiko Haumann und Hans Schadek. Freiburg 1992, S. 265-277, hier S. 272 ff; sowie: Grundsätze für die Vormerkung
als Wohnungssucher, in: StadtAF, D. Wo. 6.2.

«> Vgl. Hempel (wie Anm. 3), S. 163 ff., Zit. S. 164.

70 Vgl. StadtAF, D. Wo. 7.6.

71 Olga Hempel schildert in ihren Erinnerungen detailliert das Zusammenleben auf der Erwinshöhe und stellt ihre
verschiedenen Pensionsgäste ausführlich vor. Vgl. Hempel (wie Anm. 3), S. 142 ff.

72 Vgl. Gill (wie Anm. 4), S. 37.

73 Im Freiburger Einwohnerbuch für 1924/25 (Stand: 15.6.1924) wird Bertoldstraße 55 als Firmenadresse angegeben
, ab dem folgenden Band (Stand: 15.6.1926) die bis 1938 gültige Adresse Weberstraße 2. Der Umzug dürfte
im Jahr 1924 stattgefunden haben.

Vgl. Amtliches Einwohnerbuch der Stadt Freiburg im Breisgau 1924/25, Freiburg 1924; dass., 1926/27.

74 Hempel (wie Anm. 3), S. 165 f.

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