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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 192
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September 1902 zusammen mit der Berliner „Bismarck"-Loge den bereits genannten Unabhängigen
Johannislogen-Bund gründete, dem sich im Jahre 1907 sechs weitere Logen im Norden
Deutschlands anschlössen. Die Freiburger verließen diesen Bund allerdings wieder und
etablierten sich am 16. Oktober 1907 für einen Zeitraum von über zweieinhalb Dekaden, bis
1933/35, als christliche FO-Loge „Zu den drei Tannen im Schwarzwald".

Über international friedensstiftende Arbeit dieser Freiburger Bauhütte liegen dem Verfasser
für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg keinerlei Informationen vor. Und für die Zeit danach darf
eine solche angesichts nationalistisch gefärbter Tendenzen vieler Logen in der Weimarer Zeit
als ausgeschlossen gelten. Die Nr. 2 des 7. Jahrgangs der „Bausteine. Bundesorgan der unabhängigen
St. Johannislogen Deutschlands" vom Februar 1905, gefunden in einem Archiv in
Paris, berichtet lediglich von einem Aspekt der weltanschaulich-religiösen inneren Entwicklung
der Freimaurerei in Deutschland und seinem entsprechenden Niederschlag in der Freiburger
Loge im besonderen. Danach favorisiert ihr „Alt- und Ehrenstuhlmeister", der Kaufmann
Otto Läuger, damals wohnhaft in der Freiburger Wilhelmstraße 5, in einer „zeitgemäßen
Betrachtung" mit dem Titel „Theistisch, atheistisch oder humanistisch" die letztere Auffassung
und hält fest: „die ausschließliche Aufgabe der Freimaurerei ist die Wahrung und Pflege edler
Humanität, nicht aber die Lösung religiöser und metaphysischer Probleme. Nach dieser religiösen
Richtung sei uns Maurern die Bibel ein unbeschriebenes Buch (und) jeder gefundenen
Wahrheit offen!" Dies ist ein an sich freimaurerisch zukunftsweisender Standort, den die Loge
zwei Jahre später im Moment des Eintritts in den christlichen „Freimaurer-Orden" jedoch nicht
weiter aufrechterhalten durfte. An früherer Stelle im gleichen Aufsatz vom Februar 1905
schreibt Läuger schließlich: „Gemäß dem System beziehungsweise dem Ritual dieser Loge
[...] erblicken wir die Grundlage der Freimaurerei einzig und allein im Sittengesetz, nicht aber
im Glauben an irgendein Dogma. [...] für unsere Loge liegt keine Veranlassung vor, die Wurzeln
des Sittengesetztes näher zu bestimmen."

Nun hatten die Mitglieder vor ihrem Anschluss an den „Freimaurer-Orden" qua Umwandlung
in die christliche Loge „Zu den drei Tannen im Schwarzald" im Oktober 1907 - entgegen
ihren festen Unabhängigkeitsplänen zur Zeit der Gründung fünf Jahre zuvor - eben doch
schon versucht, überregionale Kontakte zu knüpfen und sich durch eine Großloge anerkennen
zu lassen. Wie ein Brief Läugers an den Grand Orient de France vom 1. Februar 1906 belegt,
gar per Eingliederungsersuchen in dessen freigeistiges Lehrsystem (Abb. 1). Ein Ansinnen,
dem die Franzosen nach Überprüfung und schließlich Feststellung des irregulären Gründungsstatus
der Freiburger indes nicht nur nicht stattgaben, sondern - wie ein Ende 2000 aus
einem Moskauer Sonderarchiv nach Paris zurückgegebenes Dossier ausweist11 - es auch unbeantwortet
ließen. Natürlich lässt dieses ideologische Wechselverhalten Fragen nach der
tatsächlichen Gesinnung der Mitglieder aufkommen. Doch weil für die Beurteilung ihres in
sich so gegensätzlichen Positionswandels in einem Zeitraum von nur anderthalb Jahren, zumal
unter Berücksichtigung der Bekenntnisse Otto Läugers vom Februar 1905, Protokolle über den
internen, vermutlich kontroversen Diskussionsverlauf fehlen, bleiben hierfür nur Mutmaßun-

11 Gegen Ende des Jahres 2000 gab die russische Regierung nach einem Restitutionsvertrag mit dem französischen
Außenministerium 56 Jahre nach der Befreiung von Paris mehrere zehntausend Kartons mit Schriftgut an Frankreich
zurück. Akten, die die deutsche Besatzungsmacht ab der zweiten Jahreshälfte 1940 in Bibliotheken und
Archiven französischer Parteien und anderer Massenorganisationen, darunter Großlogen, beschlagnahmt, auf
reichsdeutsches Gebiet verbracht, und die dort ab 1944/45 von der Roten Armee aufgefunden und in die Sowjetunion
geschafft worden waren. Das in einem Moskauer Sonderarchiv kartonierte, erschlossene und ausgewertete
Material, hierin hauptsächlich die freimaurerische Korrespondenz zwischen Deutschland und Frankreich
im 19. und 20. Jahrhundert, enthält auch Freiburg-relevante Dossiers; im hier interessierenden Fall den im Text
genannten und teilweise abgebildeten Zweieinhalbseiten-Brief des Kaufmanns Otto Läuger an den Grand Orient
de France, Rue Cadet Nr. 16, vom 1. Februar 1906. Die russischen Archivare hatten das Dossier zur inhaltlichen
Kennzeichnung mit einem Laufzettel versehen, auf dem „Humanitas zur freien Burg", kyrillisch transkribiert
, ausdrücklich genannt ist.

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