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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 197
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Einer von diesen Männern war der spätere Friedens-Nobelpreisträger Carl von Ossietzky,
der am 2. April 1919 in die Hamburger FZAS-Loge „Menschentum" eintrat15 und damit - nach
Wilhelm Ostwald ab Februar 191116 - der zweite Nobelpreisträger, der eine Zeitlang dem
FZAS angehörte. Daneben gab es Zeitgenossen, die unter dem Eindruck des „Versailler Diktats
" national und auch nationalistisch gesinnten Kreisen einen enormen Zulauf verschafften.
Und genau hierin lag die Entwicklungschance des FZAS, der zu einer Zeit freimaurerisch-
pazifistischen Geist bewies und zu den Freimaurern des ehemaligen Weltkriegsfeindes Frankreich
Kontakte knüpfte, als bei den acht im Deutschen Großlogenbund versammelten Obedi-
enzen an international friedenstiftendes Engagement nicht zu denken war. In der Tat hatte sich
anhand seiner Mitgliederstruktur, in welcher die Integrierung von Juden selbstverständlich
war, sowie angesichts zahlreicher, in progressivem Geist verfasster Aufsätze in der Bundeszeitschrift
„Sonnenstrahlen" bereits vor dem Kriege gezeigt, dass mit dieser noch jungen
Großloge als linksalternativer freimaurerischer Bewegung ernsthaft zu rechnen war. Dies umso
mehr, als sie insbesondere nach 1918 das republikfreundliche sozialdemokratische Bildungsbürgertum
freimaurerisch in sich vereinigen konnte; unter den Prominenten beispielsweise
Kurt Tucholsky, USPD-Mitglied, der am 24. März 1924 in der Berliner FZAS-Loge „Zur Morgenröte
" in den freimaurerischen Lehrlingsgrad initiiert und am 8. September 1924 dort in den
freimaurerischen Gesellengrad befördert wurde.17

Der Ausgang des Ersten Weltkriegs brachte es mit sich, dass viele Deutsche aus Elsass-
Lothringen ausgewiesen wurden, andere auswanderten, Elsass-Lothringer sich französischen
Logen anschlössen, und die drei FZAS-Gründungen in Metz, Mülhausen und Straßburg als
solche „unter Sequester gestellt und aufgehoben" wurden. So gründete eine Reihe von Interessierten
unter der Leitung des Obmanns Richard Bloch, Emmendingen, Wilhelmstraße 7,
nach langwierigen Vorverhandlungen und unter mehrheitlicher Einbindung von Straßburger
Brüdern der ehemaligen Loge „Aurora" sowie FZAS-Mitgliedern aus dem badischen Oberland
am Montag, den 29. März 1920, eine Ortsgruppe. Bei der einhergehenden Feier in den
Freiburger Räumen des befreundeten Odd-Fellow-Ordens in der Sedanstraße 22, dritte Etage,
unter Mithilfe von sieben Freimaurern der Mannheimer FZAS-Loge „Sonne der Pfalz" erhielt
das Kränzchen den Namen „Breisgau". Bis zum Ende des zweiten Quartals gehörten ihm dann
insgesamt 13 Brüder an. Schriftführer war August Hartmann, Gastwirt „Zum Lamm" in Emmendingen
, und Schatzmeister Alfred Kramer, Rechtsanwalt, ebenfalls Emmendingen.

Es war dies eine Zeit, da der Streit um die Bekenntnisschule die öffentliche Diskussion weiter
mitbestimmte, Anfang Januar 1920 im Freistaat Gotha die Trennung von Staat und Kirche
beschlossen worden, der Friedensvertrag von Versailles in Kraft getreten war, Mitte Januar in
Paris erstmals der Völkerbundsrat zur Sicherung des Weltfriedens in Paris getagt hatte, gegen
Ende Februar in München das Parteiprogramm der NSDAP verkündet wurde, Mitte März der
Kapp-Putsch gescheitert und am 26. März die neue Regierung des MSPD-Kanzlers Hermann
Müller eingesetzt worden war. Doch auch die europäischen Pazifisten regten sich. So richtete
der Präsident der Sektion Basel des Schweizerischen Friedensvereins, Pfarrer Jon L. Eya, in
den „Basler Nachrichten" Nr. 213 vom Freitag, den 21. Mai 1920, einen Appell an die Stadtbevölkerung
, dass über die Pfingstfeiertage „zum ersten Male seit Kriegsausbruch Delegierte
der Friedensvereine aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Italien, Österreich und der
Schweiz zu ernsten Beratungen [...] im Großratssaale" zusammenkämen und auch das Publi-

15 Hans-Detlef Mebes: Carl von Ossietzky zum 75-jährigen Maurerjubiläum. Fragment einer Vita Masonica. In:
Humanität. Zs. f. Gesellschaft, Kultur und Geistesleben 20, 1994, Heft 7, S. 1, 3 u. 5-9.

16 Mebes, Leipziger Kalender (wie Anm. 3).

17 Hans-Detlef Mebes: Kurt Tucholsky 1924-1935. Ein zweites Leben im Geheimen? In: Humanität. Zs. f. Gesellschaft
, Kultur und Geistesleben 11, 1985, Heft 7, S. 1, 3 u. 8-17. Ders.: Kurt Tucholsky als „Frere Compag-
non" in Frankreich. Zeugnisse seiner freimaurerischen Gesellenarbeit. In: Zs. f. Internationale Freimaurerforschung
6, 2004 (im Druck).

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