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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 228
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Staatsdienst versperrte, wechselte er unverdrossen zur Neuphilologie und studierte die Fächer
Deutsch, Französisch und Geschichte. 1912 wurde er dann schließlich Professor in Karlsruhe
und damit Beamter auf Lebenszeit. 1920 avancierte er zum Direktor der Realschule von Ken-
zingen. Aus nicht erkennbaren Gründen wechselte er dann 1927 als Lehrer nach Heidelberg
und trat dort 1928 der NSDAP bei. Deren Machtübernahme verlieh seiner Karriere Aufwind,
zunächst - wie bereits erwähnt - in Heidelberg, dann in Freiburg. Im November 1933 wurde
er Führer des 'HS-Landesverbandes der Lehrer an höheren Schulen Badens, später Mitglied
des NS-Gauamtes für Erziehung.

Nach Ausweis seiner Akten scheint Dr. Ganter ein ernster und zielstrebiger Charakter gewesen
zu sein, etwas farblos, dafür überzeugter Nationalsozialist, der sich - im Unterschied
zu vielen seiner Parteigenossen - einen gewissen Sinn für Anstand bewahrt hatte. Damit repräsentierte
er jene oszillierende Verhaltenskultur zwischen neuer ideologischer Norm und
überkommener bürgerlicher Tradition, der man gerade in der Frühzeit des NS-Regimes immer
wieder begegnet. So säuberte er beispielsweise im Juni 1934 das Freiburger Seminar konsequent
von politisch unerwünschten Mitgliedern. Kurz darauf bat er jedoch Karlsruhe dringend
um die Erlaubnis, im Auftrag und Namen des Ministeriums den ausgeschiedenen Fachleitern
den Dank für ihre Arbeit im Rahmen des pädagogischen Seminars aussprechen zu dürfen.86
1935 erregte die Schwester Pförtnerin der Sankt Ursula-Schule seinen Unwillen, weil sie am
Telefon sein strammes Heil Hitler mit Grüß Gott erwidert hatte.87 Und fast gleichzeitig schützte
er einen seiner dienstlichen Fürsorge unterstellten Lehrer - wahrscheinlich ein ehemaliges
Zentrumsmitglied - entschieden gegen Anfeindungen durch NS-Eltern.88

Mit Schreiben vom 20. April beauftragte ihn das Ministerium, möglichst umgehend Vorschläge
für die Neuzusammensetzung des pädagogischen Seminars in Freiburg zu unterbreiten
. Bereits am 26. April reichte er eine revidierte Fachleiterliste ein.89 Sie enthielt nur die Namen
erprobter Parteimitglieder und entsprach in ihrer Gliederung bereits jener Neuordnung der
Ausbildung, die das Ministerium wenig später verordnete.

Nach dem Tenor dieser Neuordnung haben die Referendarinnen und Referendare während
des Vorbereitungsdienstes den Nachweis zu führen, dass sie aufgrund ihrer körperlichen und
geistigen Eignung, [ihres] Charakters und [ihrer] nationalen Zuverlässigkeit berufen [sind],
deutsche Jugend zuführen und zu erziehen.90 Organisatorisch fasste die Rechtsverordnung alle
Schulfächer in fünf Facharbeitsgemeinschaften zusammen,91 so dass das Seminar in Zukunft
auch nur noch fünf Fachleiter benötigte. An zwei Nachmittagen hatten Arbeitsgemeinschaften
stattzufinden: eine volkskundlich-geographische, eine für Rassenkunde und Vererbungslehre
sowie die traditionelle Einführung in die Grundlagen der Erziehung, des Unterrichts und des
Beamtenrechts, die aber im Unterschied zu früher nunmehr mit den Gedanken und Erfordernissen
der Volksgemeinschaft und der Gemeinschaft der Lehrer aller Schulen vertraut machen
sollte. Weiterhin waren alle Referendare verpflichtet, an einer zweistündigen Ausbildung in
Turnen, Spiel und Sport teilzunehmen, die sie dazu befähigen sollte, den Turn- und Spielunterricht
zumindest in der Unterstufe zu leiten. Die Neuordnung legte den Schwerpunkt der

86 Schreiben vom 16.6.1934. In: GLA 235/42373. Die Akte enthält keine Antwort des Ministeriums.

87 Er schrieb daraufhin - ganz rigider Nationalsozialist - der Schwester Oberin: Aus gegebenem Anlass wäre ich
Ihnen dankbar, wenn Sie ihre Mitschwestern als Deutsche darauf aufmerksam machen würden, daß sie bei fernmündlichem
Gespräch den deutschen Gruß ,Heil Hitler', wie es sich für Deutsche gehört, erwidern. In: Claus
Jürgen Weisner: Fragen an die Geschichte aus dem Schlüsselloch unseres Kepler-Archivs. In: 75 Jahre Kep-
ler-Gymnasium. Festschrift. Freiburg 1982, S. 39.

88 Ebd.

89 In: GLA 235/42363.

90 Hierzu und zum Folgenden vgl. die Neuordnung der pädagogischen Seminare vom 27.4.1934. In: GLA
235/42368.

91 Nämlich je eine mathematisch-physikalische, eine chemisch-biologische, eine deutsch-geschichtliche, eine englisch
-französische und eine altsprachliche.

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