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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 245
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sondere bei Spareinlagen und Depositen auszuüben. In einer Zeit, in der es entscheidend darauf
ankommt, dass die Spartätigkeit im Interesse einer notwendigen Konsolidierung der für
nationale Zwecke aufgenommenen kurzfristigen Verschuldung des Reichs, wie auch im Interesse
der örtlichen Bautätigkeit und Arbeitsbeschaffung mit allen Kräften gefördert wird, sind
Beschlüsse von Sparkassenvorständen, nur von Ariern Einlagen entgegenzunehmen und sonstige
Einlagen zurückzuzahlen, völlig unangebracht. Wer dem nationalen Aufbauwerk der
Reichsregierung zuwider handele, werde zur Rechenschaft gezogen. Ebenfalls beigelegte
Schreiben des Wirtschaftsministers vom 8. September 1933 und 9. Juli 1935 sowie des Reichsinnenministers
vom 17. Januar 1934 bestätigten, dass ein antisemitischer Geschäftsboykott
auch nach Auffassung der NSDAP verboten sei.20

Hjalmar Schacht, in den ersten Jahren des „Dritten Reiches" als Wirtschaftsdiktator21 einer
der starken Persönlichkeiten in der Regierung, war durchaus geprägt von judenfeindlichen Klischees
und hatte grundsätzlich nichts gegen die antijüdische Politik des Nationalsozialismus.
Er wandte sich aber gegen eigenmächtige, willkürliche, oft gewaltsame Aktionen von Gruppen
der NSDAP gegen jüdische Unternehmer, Bankiers und Geschäftsinhaber. Unter ihnen
hatte er zahlreiche Bekannte, die er schützen wollte. Insbesondere ging es ihm darum, Schaden
von der deutschen Wirtschaft abzuwenden, den ein rasches Ausschalten von Menschen jüdischer
Herkunft aus dem Wirtschaftsleben mit sich gebracht hätte. Diese Meinung wurde auch
von vielen an der Parteispitze geteilt, zumindest so lange, bis die tiefe Wirtschaftskrise überwunden
schien und sich eine Aufschwungstendenz abzeichnete. Schacht verfolgte diese Politik
nicht zuletzt auch deshalb, weil er die Wirtschaft als „seinen" Bereich ansah, als die Grundlage
seiner Machtposition, von der er möglichst jegliche Störung fernhalten wollte. Gerade in
der zweiten Hälfte des Jahres 1934 und Anfang 1935 hatte es wieder viele illegale Übergriffe
gegen jüdische Geschäftsleute gegeben. Während Schacht öffentlich die antijüdische NS-Poli-
tik unterstützte, versuchte er intern - so in einem Memorandum an Hitler vom 3. Mai 1935 -,
im Interesse der Wirtschaft den Auswüchsen entgegenzutreten: Man stempele die Juden in jedem
gewünschten Masse zu Einwohnern minderen Rechtes durch entsprechende Gesetze, aber
für die Rechte, die man ihnen lassen will, gewähre man ihnen staatlichen Schutz gegen Fanatiker
und Ungebildete.22 In diesen Zusammenhang gehört der von Stengler zitierte Erlass des
Wirtschaftsministers vom 11. September 1935.23

Man brauchte die Juden noch, es war zu riskant, sie jetzt schon aus dem Wirtschaftsleben
zu entfernen. Erst mussten die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden. 1938 sollte
es so weit sein. Doch Max Bloch hatte schon vorher die Zeichen der Zeit erkannt.24 Die am

20 KreisAEm, Elzach XII/2, Protokoll der Einvernahme vom 13.5.1938 und beigefügte Unterlagen Stenglers (Protokoll
auch in XII/1, beigeheftet: Handakte 1938; sachlich gehört diese Handakte zu XII/2); der Hinweis auf den
jüdischen Hausbesitzer in: Elzach XII/1, Entgegnung Stenglers auf die Anschuldigungsschrift vom 10.11.1938
(möglicherweise hat er die zitierten Schreiben erst dieser Stellungnahme beigefügt, da er sie dort ausdrücklich
erwähnt; in den beiden Akten ist die Ordnung manchmal etwas durcheinander gekommen). In seinem Hinweis
auf die Auffassung der NSDAP bezog sich Schacht auf einen Erlass des Stellvertreters des Führers vom
14.7.1933 und ein Rundschreiben der Kommission für Wirtschaftspolitik der NSDAP vom 11.1.1935. Darüber
hinaus gab es zahlreiche weitere Erlasse von Partei- und Staatsstellen gegen Terroraktionen gegen einzelne
Juden (so der Stellvertreter des Führers, Rudolf Hess, am 11.4.1935, vgl. Albert Fischer: Hjalmar Schacht und
Deutschlands „Judenfrage". Der „Wirtschaftsdiktator" und die Vertreibung der Juden aus der deutschen Wirtschaft
. Köln usw. 1995, S. 154).

21 Basler Nachrichten, 20.8.1934, zitiert nach Fischer (wie Anm. 20), S. 9.

22 Zitiert in Fischer (wie Anm. 20), S. 155.

23 Vgl. Fischer (wie Anm. 20), S. 173. Parteistellen handelten wiederum ähnlich.

24 Wie diese Bedingungen Schritt für Schritt geschaffen wurden, bis dann 1938 die völlige Ausschaltung möglich
war, habe ich an einem Freiburger Beispiel zu schildern versucht: Rolf Böhme/Heiko Haumann: Das Schicksal
der Freiburger Juden am Beispiel des Kaufmanns Max Mayer und die Ereignisse des 9./10. November 1938.
In der Vergangenheit liegt die Kraft für die Zukunft (Stadt und Geschichte. Neue Reihe des Stadtarchivs Freiburg
i. Br. H. 13). Freiburg 22000.

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