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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 247
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0247
Diese Beweisführung dürfte ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Am 17. Mai 1939 fand vor
der Dienststrafkammer Karlsruhe die Hauptverhandlung statt. Das Urteil lautete auf eine zehn-
prozentige Gehaltskürzung für ein Jahr wegen Dienstvergehens. Zwar wurden erhebliche
Pflichtverletzungen festgestellt, hingegen auch einige Umstände angeführt, die für den Beschuldigten
sprachen und die verhältnismäßig geringe Strafe rechtfertigten. Dennoch war damit
die Angelegenheit nicht beendet. Während Stengler und der Landrat erklärten, keine
Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen, forderte der Innenminister am 28. Juni 1939,
Stengler müsse aus dem Dienst entfernt werden, weil er die Schiebergeschäfte eines Juden begünstigt
habe. So musste der Vertreter des Landratsamtes am 1. Juli 1939 ein Berufungsver-
fahren in die Wege leiten. Hatte es im Urteil noch geheißen, die Vorwürfe könnten zum großen
Teil, trotz erheblicher Verdachtsmomente, letztlich nicht bewiesen werden, hob die Behörde
nun hervor, dass die Art und Weise der Vorgänge keine andere Erklärung als ein absichtsvolles
Vorgehen Stenglers zulasse. Da er damit einen jüdischen Kaufmann unterstützt habe, sei er
als Geschäftsleiter der Sparkasse nicht mehr tragbar.

Vermutlich wäre Stengler jetzt nicht mehr so glimpflich davongekommen. Doch die Umstände
retteten ihn. Am 1. September 1939 begann das Deutsche Reich den Krieg gegen Polen,
der sich bald zum Weltkrieg ausweitete. Stengler meldete sich freiwillig an die Front. Der
Innenminister wies daraufhin am 3. Oktober 1939 den Landrat an, die eingelegte Berufung
zurückzunehmen. Dies geschah am 10. Oktober. Stengler bat dann darum, auch seine Dienstenthebung
aufzuheben. Das Innenministerium bestätigte dies am 20. Oktober 1939.28

Die NSDAP scheint nicht intensiv in das Verfahren eingegriffen zu haben. In den Akten liegen
nur gelegentliche Erkundigungen nach dem Stand und Bitten um Beschleunigung.29 Offenbar
lief aber ein Parteiausschlussverfahren, das bis zum Ausgang der Untersuchung ausgesetzt
und dann durch das Urteil und den Kriegsausbruch hinfällig wurde.30 Hingegen zeigte
der Elzacher Bürgermeister Emil Riegger großes Interesse an dem Fall. Im Vordergrund stand
dabei offenbar nicht seine antijüdische Einstellung, wie sie sich in seinen Aktivitäten gegen
den jüdischen Tierarzt in Elzach, Dr. Bruno Türkheimer, äußerte.31 Eher erklärt es sich aus seiner
Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Bezirkssparkasse. Darüber hinaus war
er offenbar mit Stenglers Sparkassenleitung sehr zufrieden; möglicherweise standen sich die
beiden persönlich nahe. Jedenfalls ist die sehr positive Charakteristik Stenglers, die Riegger
am 5. Mai 1938 gegenüber dem Untersuchungsführer abgab, auffällig. So bezeichnete er dessen
geschäftlichen Fähigkeiten als hochwertig, er genieße das Vertrauen des Verwaltungsrates
, der Geschäftswelt und der Bevölkerung. Er habe keine Neigung zur Unwahrhaftigkeit, sei
als Privatmann in keiner Weise von besonderem Ehrgeiz besessen, seine wirtschaftlichen Verhältnisse
seien in Ordnung. Bei den Beziehungen zum Juden Bloch sei er als Aktivist (...) unvorsichtig
gewesen, habe sich aber nicht ungerechtfertigt bereichern oder persönliche Vorteile
erringen wollen.32 Riegger sorgte auch dafür, dass Stengler nach den vorläufigen Dienstenthebungen
- mit seiner Verhaftung, formell am 4. Mai 1937 wegen der laufenden Untersuchung
, dann am 21. März 1938 und noch einmal am 1. Juli 1939 - wieder in sein Amt zurückkehren
konnte. Besonders eilig hatte er es nach dem Urteil im Dienststrafverfahren: Bereits am
20. Mai 1939 teilte er dem Badischen Bezirksamt mit, dass er heute Stengler zur Wiederauf-

28 KreisAEm, Elzach XII/1. Nicht geklärt werden konnte, warum zwischen dem 11.3. und 17.5.1939 ein Wechsel
der Verteidiger eingetreten war, Bader war ohnehin nicht mehr beteiligt.

29 KreisAEm, Elzach XII/1, 11.4.1938, 22.11.1938.

30 StadtAEl, 740/3, Bericht Erwin Stenglers vom 29.3.1946.

31 Vgl. Heiko Haumann: „Lieber 'n alter Jud verrecke als e Tröpfle Schnaps verschütte." Juden im bäuerlichen
Milieu des Schwarzwaldes zu Beginn des Nationalsozialismus. In: Menora 3, 1992, S. 143-152; Karl-Eberhard
Maeder: Dr. Bruno Türkheimer. Das Schicksal eines jüdischen Tierarztes in Elzach unter der Hitlerdiktatur
. In: „s Eige zeige" 7, 1993, S. 21-26.

32 KreisAEm, Elzach XII/2. Vgl. auch Schreiben vom 5.10.1938 (ebd.); 14.6.1937, 7.3., 22.3., 14.4.1939 (Elzach
XII/1).

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