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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 252
(PDF, 58 MB)
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die Behörde dies ab. Auch das französische Rückreisevisum laufe ab, und deshalb sei nicht gesichert
, dass der Flüchtling die Schweiz wieder verlassen könne.

Zwei Jahre später, am 21. September 1942, beantragte der Oltener Fabrikant Bertold Weil,
Max Blochs Schwager, auf dessen Bitte für Blochs Ehefrau sowie die beiden Kinder eine Einreisebewilligung
. Anlässlich einer geplanten Augenoperation des Jungen wollten sie bei Frau
Blochs Mutter Frieda Haberer in der Oberwilerstrasse 122 wohnen.52 Die Familie könne selbst
für ihren Unterhalt aufkommen: Sie besitze ein Grundstück in Basel und zahle hier auch Steuern
. Außerdem wurde eine Kaution von 5000 Franken gestellt.53 Frieda Haberer war 1937 von
Freiburg nach Basel gekommen und verfügte über eine Toleranzbewilligung bis 1943. Die Basler
Fremdenpolizei genehmigte am 31. Oktober 1942 den Aufenthalt für eine Dauer von vier
Wochen, die Eidgenössische Fremdenpolizei widerrief jedoch am 27. November diese Entscheidung
, so dass die Einreise nicht zustande kam.

Für eine Weile finden sich dann keine weiteren Eintragungen in der Akte. Erst am 29. Januar
1944 wandte sich Frieda Haberer, deren Toleranzbewilligung für Basel offenbar verlängert
worden war, erneut an die Basler Fremdenpolizei und bat flehentlich darum, ihrer Tochter
und deren Kindern jetzt den Aufenthalt zu gestatten. Sie schrieb: (...) die Verhältnisse wurden
schlechter und gefährdeter, und vor kurzem wurde der Vater bei einer Razzia gefangen.
Frau und Kinder befinden sich auf der Flucht und sind in Lebensgefahr.

Was war geschehen? Hierüber geben Zeitzeugenberichte Aufschluss. Max Bloch hatte nach
der Niederlage Frankreichs eigentlich in die USA emigrieren wollen. Zufällig entdeckte er im
Oktober 1940 in einem Zug, der auf einem südfranzösischen Bahnhofhielt, seine Schwestern
sowie weitere Verwandte und Bekannte aus Südbaden. Im Rahmen der Nazi-Aktion, das El-
sass, Baden und die Pfalz judenrein zu machen, wurden sie zusammen mit über 6500 Leidensgefährten
in das Lager Gurs in den Pyrenäen deportiert. Bloch entschloss sich, erst einmal
zu bleiben, und begann Hilfeleistungen zu organisieren. Wie bereits berichtet, dachte er
anscheinend daran, seine Frau und Kinder nach Basel in zumindest vorübergehende Sicherheit
zu bringen. Dies gelang nicht. Unbekannt ist, ob er sich selbst um einen Aufenthalt in Basel
bemühen wollte, um von dort aus Sendungen nach Gurs zu schicken, und durch die Entscheidung
der Fremdenpolizei abgeschreckt wurde. Jedenfalls organisierte er tatkräftig Unterstützung
für die Lagerinsassen, verhandelte mit der Präfektur, verfasste Berichte und gab Hinweise
, wie vielleicht die Befreiung von einzelnen Personen erreicht werden könne. Mehrfach
glückte es ihm, in das Lager Gurs eingelassen zu werden und Lebensmittel sowie weitere dringend
benötigte Dinge für seine Verwandten und Bekannten abzugeben oder im Auftrag von anderen
verteilen zu lassen. Um den Bedrohten nahe zu sein, versteckte er sich in den Pyrenäen
nahe der Grenze zu Spanien. Hier stöberten ihn im Januar 1944 deutsche Einheiten bei einer
Razzia auf. Er wurde furchtbar gefoltert und dann erschossen.54

Seine Frau und Kinder versuchten sich zu retten. Auf Frieda Haberers Gesuch erteilte das
Basler „Kontrollbureau" am 18. Februar 1944 eine Bewilligung für einen vorübergehenden
Aufenthalt zur Vorbereitung der Weiterreise und ermächtigte das Schweizer Konsulat in Mar-

52 Ich danke Philipp Pott für Recherchen zu den Liegenschaften und Wohnungen der verschiedenen Familien in
Basel, die hier eine Rolle spielen.

53 Die Kaution stellte ein Dr. Mayer. Möglicherweise handelte es sich um dieselbe Person, in deren Freiburger
Haus Erwin Stengler auf Vermittlung Blochs eine Wohnung erhielt (Bericht vom 29.3.1946, in: StadtAEl, 740/3,
Nr. 873).

54 Bericht Max Bloch vom 27. Dezember 1940. In: Oktoberdeportation 1940. Die sogenannte «Abschiebung» der
badischen und saarpfälzischen Juden in das französische Internierungslager Gurs und andere Vorstationen von
Auschwitz. 50 Jahre danach zum Gedenken. Hg. von Erhard R. Wiehn. Konstanz 1990, S. 669-670; Schreiben
David H. Blums (Jackson Heights, New York) vom 31.8.1989, in: StadtAF, M2/127 a, Nr. 26; Louis Dreyfuss:
Emigration nur ein Wort? Ein jüdisches Überlebensschicksal in Frankreich 1933-1945. Hg. von Erhard R.
Wiehn. Konstanz 1991, S. 79-87, bes. S. 84-85 (vgl. auch Auszüge aus dem Manuskript in: Oktoberdeportation,
S. 222-234, hier S. 228).

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