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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 268
(PDF, 58 MB)
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Das Kapitel über Domkapellmeister Franz Stemmer (1934-1969), der mit Elan neue Akzente setzte und
den Domchor stark vergrößerte, schrieb Barbara Ostertag im Rückgriff auf persönliche Erinnerungen. Die
Ära Hug von 1969 bis 2002 überschreibt Schmider „Vom Domchor zur Domsingschule" und würdigt damit
das musikpädagogische Engagement für die Nachwuchsförderung. Auch räumliche Verbesserungen
konnte Hug bewirken durch den Umzug der Domsingschule ins Erzbischöfliche Palais. Als Musiker verhalf
er dem Domchor zu überregionaler Anerkennung.

Die Autoren des Bandes habe die schwierige Aufgabe gelöst, Musik und ihre Geschichte auf Papier zu
bannen. Ein reichhaltiges Angebot an Illustrationen half dabei. Renate Liessem-Breinlinger

Lotte Paepcke: Ein kleiner Händler, der mein Vater war. Eine deutsch-jüdische Geschichte. Verlag Herder
, Freiburg 2002. 122 S., Taschenbuch.

Es ist ein eindringliches Stück Literatur, was Lotte Paepcke über ihren jüdischen Vater geschaffen hat,
den Freiburger Lederhändler Max Mayer, der in der Schusterstraße sein Geschäft hatte. Sie führt den Leser
anhand dessen Biographie von der Kaiserzeit bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht um
eine Lebensbeschreibung mit allen Daten und Fakten zu geben, sondern als „Muster", in dem sie „gewisse
Dinge" zeigen wollte, wie sie im Nachwort formuliert.

Sie schildert das gutbürgerliche Leben der Familie vor dem Ersten Weltkrieg. Der Vater, der nur von
Wuchs kleine Händler, konnte ihr den Besuch der Höheren Töchterschule und ein Studium ermöglichen.
Dass der gesellschaftliche Aufstieg der Familie erst eine Generation alt war, erfuhr sie, wenn die Verwandten
vom Land kamen, die „nicht so schön" aßen und das Messer „in ungehöriger Weise" benutzten.
Mit hoher Sensibilität erfasst sie die Persönlichkeit und die Psyche des Vaters, sie schreibt von seiner Vorliebe
und Begabung für die Musik und die Disziplin, mit der er sich dem väterlichen Geschäft verpflichtet
fühlte. „Seitensprung" nennt sie sein Engagement für die Sozialdemokratische Partei als Außenseiter
aus dem bürgerlichen Lager. Hierin sieht sie ihn wieder als Exempel, denn in dieser Gruppierung fanden
sich auch anderen Orts häufig Juden seines Standes.

Am Ersten Weltkrieg nahm Lotte Paepckes Vater als Soldat teil. Sie spricht von seinem „Willen, sich
diesem Land zu weihen", um zu zeigen, dass er sich ganz als Deutscher fühlte. Und zur Weimarer Republik
: „Das war jetzt sein Staat." Als Vertreter des gemäßigten Flügels der Sozialdemokratie wurde er
in den Freiburger Stadtrat gewählt. Kultur und im Speziellen das Theater war sein Arbeitsschwerpunkt.
Wirtschaftliche Sorgen blieben ihm erspart: „Leder erwies sich als ziemlich krisenfest", Schumacher und
Sattler brauchten es auch in kargen Zeiten. „Familie und Geschäft blühten."

In warmen Farben malt die Schreiberin die Zwanziger Jahre als ein Bild von bürgerlicher Harmonie.
Dann blättert man um und liest: „Als er verhaftet wurde." Das war 1933, dauerte einige Tage und betraf
ihn zusammen mit anderen Stadträten „der politischen Linken". Dann folgen die Szenen „Kauft nicht
beim Juden!". Im Bild sind sie vielfach dokumentiert. Lotte Paepcke lässt sie jedoch akustisch auf den
Leser wirken: „Mehr und mehr wurde dem Vater die Existenz weggebrüllt." Er entschloss sich, das Geschäft
seinem Angestellten zu verkaufen, „einem Mann, der sein Freund blieb".

„Dann klingelte es in der Nacht." Am 9. November 1938 wurde ihr Vater ohne nähere Angaben abgeholt
. Schließlich erfuhr die Familie, dass er in Dachau sei. Eine „radikale Verletzung" habe sie empfunden
, als er, gezeichnet von Misshandlung und Demütigungen nach einigen Wochen zurückkehrte. Die
Texte zu diesem Ereignis sind packend und hoch emotional. Kurz und sachlich schreibt sie dann über die
Flucht der Eltern „in der letzten Nacht des Friedens" im August 1939. Zwei Jahre lang warteten Vater und
Mutter in der Schweiz auf die Genehmigung zur Einwanderung in die Vereinigten Staaten. Verwandte
verhalfen ihnen zu einer bescheidenen Wohnung in Manhattan. Beide Eltern arbeiteten, die Mutter als
Näherin daheim, der Vater als Botengänger und später als Partiturenschreiber.

Lotte Paepcke beschreibt, welchen Schock am Ende des Krieges die Nachrichten von den unglaublichen
Vorgängen in Auschwitz, Treblinka und Maidanek auslösten, die das Band zur Heimat zerbrechen
ließen. Dennoch holte sie den Vater nach dem Tod der Mutter nach Deutschland, wo sie selbst den Krieg,
geschützt in einem Kloster (Stegen), überlebt hatte. Seine letzten Jahre verbrachte er in Freiburg in einem
Altenheim (Heiliggeiststift). Trotz der Zerstörung fand er Vertrautes wieder in der Stadt, mit Interesse beobachtete
er den Wiederaufbau. Vom „kleinen Amerikaner" spricht sie nun, denn als Deutscher konnte
sich der Vater nicht mehr fühlen, obwohl er „der Sprache wieder froh war". Poetisch und versöhnlich lässt
sie das Leben des Vaters ausklingen: Man trug ihn hinaus „auf den kleinen jüdischen Friedhof, und in den
Gebeten wurde der Ewige gepriesen, wie es üblich ist".

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