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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 55
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der vier Kirchenväter, eine große Menge aufgenommen worden sei, damit es nicht scheine, als
wolle der Verfasser „in Verhöhnung anderer alles neu machen ... Jedoch wurden die Namen einiger
Neuerer in diskutablen Fragen mit Schweigen übergangen, damit der Name niemanden
abschrecke, dem die Meinung doch gefällt."55

Länger als hundert Jahre soll die Margarita philosophica das am meisten benutzte Lehrbuch
der Philosophie und des enzyklopädischen Wissens an den Universitäten und in den Klöstern
gewesen sein. Auch danach blieb es noch in hohem Ansehen. Leibniz erwähnt das Werk unter
den Enzyklopädien. Alexander von Humboldt hebt in seinem Kosmos hervor, dass die Margarita
philosophica zu Beginn des 16. Jahrhunderts „einen großen Einfluss auf die Verbreitung
mathematischer und physikalischer Kenntnisse ausgeübt" habe. Gustav Münzel beschreibt die
Persönlichkeit von Gregor Reisch in der Sprache seiner Zeit (1938): „Zu den markantesten
Gestalten Freiburgs am Ausgange des Mittelalters zählt der Kartäuserprior Gregor Reisch. Er
ist nicht nur bedeutsam für das geistige Leben der Stadt, sondern weit darüber hinaus eine
Persönlichkeit von allgemeiner historischer Wichtigkeit. Wenn man ein Bild von diesem
Manne gewinnen will, so muss man sich vor allem die gärende Zeit des Überganges vor Augen
halten, in der er lebte, die auf den Gebieten der Weltanschauung, des Glaubens, des sozialen
Lebens, der Politik und der Wissenschaft in ungeheueren Kämpfen als ein Wendepunkt zweier
Zeitalter vor uns steht, von einer umwälzenden Bedeutung, die sie hierin mit der modernen
Zeit vergleichen lässt. Alle diese Kräfte und Strömungen griffen in Gregor Reischs Leben ein.
Denn diesem Kartäuser ging sein Leben nicht in der Beschaulichkeit seines Klosters oder in
stiller wissenschaftlicher Tätigkeit auf, sondern er trat als Handelnder in die Bewegung der
Geister ein, und er erfreute sich auf Grund seines Charakters und seiner geistigen Bedeutung
der Achtung der hervorragendsten Köpfe der wissenschaftlichen Welt und besaß in hohem
Maße das Vertrauen des Kaisers Maximilian."56

Bemerkenswert ist auch die Einschätzung des Hauptwerks von Gregor Reisch durch den
Innsbrucker Naturwissenschaftler Dr. Robert Ritter von Srbik:

„Die geistige und sittliche Größe des frommen Kartäusers verleiht ihm eine scharf umrissene Stellung in
der Geschichte der Wissenschaften Deutschlands an der Wende zweier Zeitalter. Als besonderer
Vertrauter des Kaisers Maximilian I. in weltlichen und geistlichen Dingen tritt er ein in den Kreis historischer
Personen. Die Vereinigung von Wissen und Glauben ist das Ziel seines groß angelegten Lehrbuches
, des Sammelwerkes Margarita philosophica. Aufbauend auf den Kenntnissen des Altertums und
des Mittelalters werden insbesondere die Naturwissenschaften weitesten Sinnes bei Reisch eingehend
dargestellt ... Die Grundlage des Wissens bilden in erster Linie Aristoteles und sein Erklärer Albertus
Magnus, der Führer der Scholastik. Dieses Wissen vereinigt sich innig mit dem christlichen Glauben im
Geiste der in sich bereits vollendeten Scholastik. Derart entsteht ein Werk von einer entwicklungsgeschichtlich
sehr kennzeichnenden Prägung. Denn es verbindet den Kulturkreis der Antike mit dem des
christlichen Mittelalters, dessen geistige Führung der alte Gottesglauben innehatte. In der Folgezeit entfernt
sich der junge Humanismus von dieser Leitlinie, hier aber wird sie noch mit aller Kraft der Überzeugung
festgehalten. Dadurch bietet die Margarita ein getreues Spiegelbild ihrer Zeit als Bindeglied
zwischen der alten und neuen Geistesrichtung, zwischen Scholastik und Humanismus. Die durch ein
Jahrhundert währende ungewöhnlich hohe Auflagenzahl und weite Verbreitung dieses Lehrbuches an
Deutschlands Hohen Schulen erweist, dass die sittlich hochstehende und dabei erdgebundene Weltanschauung
der Margarita trotz aller geistigen Gegenströmungen einer neuen Zeit doch nachhaltige Anerkennung
fand."57

55 Zitiert nach Geldsetzer (wie Anm. 1), S. XII f.

56 Münzel (wie Anm. 1), S. 1.

57 von Srbik (wie Anm. 1), S. 203. Sein Beitrag für die Akademie der Wissenschaften in Wien wurde in der Sitzung
der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse vom 14. Dezember 1939 vorgelegt, aber erst 1941 gedruckt.

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