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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 61
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2. Die Entwicklung der Flugschrift
von der Französischen Revolution bis 1848

In Deutschland wurde das Volk erst durch die Französische Revolution als Subjekt geschichtlichen
Handelns erkannt. Dies geschah vor dem Hintergrund der bereits länger andauernden
Auseinandersetzungen zwischen antiabsolutistischen bürgerlichen Organisationsformen, wie
Freimaurerlogen, Illuminationen und studentischen Verbindungen, und dem Staat, der den
Kampf gegen die Aktivitäten dieser Organisationen mit Hilfe der Zensur, mit Verboten und mit
polizeilichen und juristischen Mitteln zu führen suchte.11 Dies führte zu einem Flugschriftenkampf
, der vor dem Volk ausgeführt wurde, um es von den jeweiligen politischen Ansichten
zu überzeugen. Im Folgenden wurden konkrete politische Forderungen nach Presse- und Versammlungsfreiheit
und nach Abschaffung der Zensur zu wichtigen Themen des Befreiungskampfes
und ersetzten so die allgemein abstrakten Forderungen der Aufklärungszeit.12

Mit der Intensivierung der politischen Auseinandersetzungen im Deutschland der 1790er-
Jahre durch die Jakobiner13 als Folge der Französischen Revolution vollzog sich eine Öffnung
zum Volk hin, mit der versucht wurde, revolutionäre Theorie und Literatur an die unterdrückten
Vblksklassen zu vermitteln. Dies geschah durch den Einsatz operativer Mittel, wie Flugschriften
und Zeitschriften, die wegen ihres Bezuges zu den Adressaten, wegen ihrer Aktualität
und Parteilichkeit und wegen der Organisation ihrer Verteilung durch so genannte Volkslehrer
geeignet waren, das Volk zu beeinflussen.

Von diesem Zeitpunkt an spielten Flugschriften in Deutschland als begleitendes revolutionäres
Mittel in den vereinzelten Erhebungsversuchen und Unruhen wieder eine entscheidende
Rolle. Ihre Produktion und Verbreitung erreichte in jener Zeit ein ähnliches Ausmaß wie
in den Bauernkriegen.

Die Eroberungskriege Napoleons riefen jedoch nicht nur Flugschriften hervor, in denen zur
Nachahmung der Französischen Revolution aufgerufen wurde, sondern provozierten auch den
Widerstand gegen die napoleonischen Besatzer. Dies führte zu einer Vermischung des Widerstandes
gegen den außenpolitischen Feind mit dem Bestreben, sich von der absolutistischen
Herrschaft überhaupt zu befreien. Deshalb agierten die Flugschriften während den Befreiungskriegen
zwischen der Herrschaftspublizistik - sie waren teilweise sogar direkt in das
Kommunikationssystem der europäischen Höfe eingebunden - und der Gegenöffentlichkeit
des Volkes.14

Mit dem Ende der Befreiungskriege stieß die Verbreitung von Flugschriften wegen des antiabsolutistischen
Kerns ihres Patriotismus auf den Widerstand der Machthaber und wurde mit
Verboten und Zensurmaßnahmen einzudämmen versucht. Diese Maßnahmen richteten sich
besonders gegen burschenschaftliche Vereinigungen, die im besonderen Maße zur Verbreitung
der Befreiungslyrik beitrugen.

Die literarische Produktion burschenschaftlicher Flugschriften bestand aus teilweise wider-

11 Den Prozess der Gruppenbildung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft beschrieb Fritz Valjavec ausführlich.
Vgl. Fritz Vauavec: Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland. 1770-1815. München 1951,
S. 229 ff.

12 Weigel (wie Anm. 4), S. 13.

13 Der zeitgenössische Begriff für Jakobiner meinte, in formaler Unterminierung des historisch-inhaltlich zu fassenden
Begriffes, alle konsequenten Demokraten. Im Sinne der zeitgenössischen Reaktion und Konterrevolution
waren Jakobiner also die Herausgeber, Verfasser, Verbreiter so vieler Journale, Zeitungen und Flugschriften,
worin Aufruhr gepredigt, Meuterey entschuldigt, Obrigkeit und Landesverfassung gelästert und untergraben,
und aus den Herzen der Unterthanen die Anhänglichkeit an ihre Regenten mit gleißnerischen Worten gestohlen
wird (Über Deutschen Democratengeist, und Deutsche Jakobiner, Revolutionsalmanach von 1734). Zitiert nach:
Demokratisch-revolutionäre Literatur in Deutschland. Hg. von Gert Mattenklott und Klaus Scherpe. Kronberg
/Taunus 1975, S. 4.

14 Weigel (wie Anm. 4), S. 14.

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