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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 84
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städtischen Kanonen den Freischaren in die Hände hatte fallen lassen. Dabei kam die Flugschrift
zum folgenden Schluss, daß Herr v. Rotteck wenig Vertrauen auf den Sieg der consti-
tutionellen Parthei setzte, und somit dürfte einigermaßen dessen Verfahren entschuldigt werden
, nur können wir ihm nicht so leicht verzeihen, daß er in den so gefahrvollen Tagen seinen
Posten verließ und unserm Schicksale Preis gab.ni

Funktionell in eine ähnliche Richtung ging eine Flugschrift Lorenz Brentanos, die er an das
badische Volk richtete, um darin die Gründe für sein Verlassen der konstituierenden Versammlung
und seine Flucht aus Baden darzulegen.119 Die Schrift Brentanos zeichnete sich durch ihre
starke Polemik aus, indem der politische Gegner mit harten Worten attackiert wurde. Brentano
verwendete dabei stereotype Vergleiche mit starker symbolischer Aussagekraft, die den politischen
Kontrahenten disqualifizieren sollten. Mit diesem sprachlichen Mitteln konnte er seine
Opferrolle plausibel machen und die Verteidigungswirkung der Flugschrift steigern.

Die Veranlassung Brentanos, eine Darstellung zu seinem Rücktritt und zu seiner Flucht abzufassen
, wurde unter anderem durch den Inhalt einer Flugschrift der constituierenden Landesversammlung
hervorgerufen, welche am 29. Juni 1849 erschienen war.120 Darin wurden der
Rücktritt und die Flucht Brentanos als feiger Verrat am Vaterland beschrieben und eine Untersuchungskommission
angekündigt, die den Auftrag hatte, gegen den Bürger Brentano und
seine Begleiter einzuschreiten, um sie zur wohlverdienten Strafe zu ziehen.

Diese Darstellung zeigte deutlich den Konflikt zwischen dem eher gemäßigten Brentano,
der sich für eine Begrenzung der Revolution in Baden einsetzte und auf eine Rückkehr des
Großherzog hoffte, und dem Kreis um Gustav Struve. Letzterer hatte mit der Gründung des
Clubs des entschiedenen Fortschritts versucht, die radikale Opposition gegen die Revolutionsregierung
unter Brentano zu sammeln, um radikalere Ziele wie die Ausbreitung der Revolution
auf ganz Deutschland und die Ausrufung der Republik durchzusetzen. Aus diesem
Grund wurden die Mitglieder des Clubs des entschiedenen Fortschritts verhaftet und erst auf
die Intervention Armand Goeggs wieder freigelassen.121

3.7. Flugblätter mit politischer und gesellschaftskritischer Funktion

Ein großer Teil der Flugschriften war politisch. So enthielten Flugblätter der Volks- und Vaterlandsvereine
politische Forderungen und Inhalte, ebenso Flugblätter der Volksversammlungen
. In diesem Abschnitt sollen jene Flugschriften zur Sprache kommen, deren Funktion nicht
in direktem Zusammenhang mit bestimmten Parteien, Vereinen oder Gruppierungen standen.
Dabei unterschieden sich diese Flugblätter von jenen der Vereine, Parteien und Gruppierungen
hauptsächlich in zweierlei Punkten: Einerseits blieben die Verfasser meist anonym im Hintergrund
oder versteckten sich hinter einem Pseudonym, andererseits stand die politische Aussage
im Vordergrund und war der allein bestimmende Inhalt des Flugblattes. Der politische
Inhalt wurde auf literarisch unterschiedliche Art und Weise übermittelt. So wurden beispielsweise
mitunter religiöse Formen verwendet, die auf die weit verbreiteten kirchlichen Rezep-
tionsformen zurückgriffen, wie etwa das Vaterunser oder die Zehn Gebote (Abbildung 3 und
4).122 Damit waren diese Flugschriften äußerst populär und fanden großen Widerhall in der Bevölkerung
.123

118 Ebd., Teil 2, Sammelmappe.

119 Ebd., Teil 1, Blatt: 332.

120 Ebd., Blatt 320.

121 Badisches Landesmuseum Karlsruhe (wie Anm. 3), S. 331.
'22 Vgl. StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blätter 24 und 25.

123 Vgl. Weigel (wie Anm. 4), S. 208 ff. Vgl. Hans-Joachim Ruckhäberle: Flugschriftenliteratur im historischen
Umkreis Georg Büchners. Kronberg im Taunus 1975, S. 142 ff.

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