Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 85
(PDF, 49 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0085
Das Vaterunser enthielt ein Topos, welches in Flugschriften der 48er-Revolution oftmals
verwendet wurde.124 Es handelte sich dabei um das Bild des im Grunde genommen guten Herrschers
, welcher von schlechten Ministern beraten wurde.125 Die Forderung ging nun dahin, die
schlechten und dem Volk schädlichen Minister zu entfernen und durch neue, bessere zu ersetzen
.

Ein anderes Flugblatt zeichnete ein weniger versöhnliches Bild.126 Darin wurden die politischen
Verhältnisse in Deutschland kritisiert, indem die Berechnungen sämtlicher Ausgaben für
alle fürstlichen Familien, für die Verwaltung und die Armee aufgelistet wurden und deren Endsumme
mit den lebensnotwendigen Bedürfnissen des Volkes und mit den Kosten für die Verwaltung
und Regierung eines freien Staates verglichen wurde. Dieses Flugblatt eröffnete dem
Leser durch seinen didaktischen Aufbau die Möglichkeit, den inhaltlichen Zugang leichter zu
erlangen. Dadurch konnte ein größerer Kreis von Adressaten angesprochen werden.

Einen didaktisch ähnlichen Weg beging das Flugblatt 34 Fürsten oder eine Republik, welches
die Abschaffung der Monarchie und der mit ihr verbundenen finanziellen Belastung des
Volkes forderte sowie zur Errichtung einer Republik aufrief:127

Die Civillisten der Fürsten, die Apanagen der Prinzen und Prinzessinen, die ungeheure Militärlast, das
Heer von Beamten, die Massen von Pensionärs, die theuren Minister, die theuren und nutzlosen Gesandten
, die Menge von öffentlichen und geheimen Polizeidienern, die Spione, die Notwendigkeit der Versorgung
von Herrenhuren, die Menge von Wächtern über das indirekte Abgabensystem, alles dieses hängt
an der Erhaltung der monarchischen Regierungsform. Mehrere hundert Millionen Gulden werden hierdurch
jährlich verschlungen. Die Last der Abgaben erdrückt das Volk; ein gedrücktes Volk aber ist nie
frei! Und wenn seine Führer glauben, das Volk sei zufrieden mit schönen Reden, welche sie seit Jahren
gehalten, wenn sie glauben, es lasse sich heute, da man alles erlangen kann, noch länger vertrösten und
hinhalten, so wird es sich bald zeigen, daß sie sich irren, und daß das Volk sich von den bisherigen Führern
trenne und auf eigene Faust handle. Schon hat dies begonnen, und es wird sich weiter verbreiten und
allgemein werden. Das Volk wird also auf die Weise die Einigkeit erlangen. - Ob die Führer heute das
Räthsel lösen, wie das Volk mit seinen Fürsten wohlfeil regiert werden könne, wollen wir sehen; wir wissen
aber zum Voraus, daß dies unmöglich ist. Wir werden unter der bisherigen Fürstenherrschaft also weder
frei, noch einig, noch wohlfeil regiert sein, und alle Wünsche des Volkes zerfielen damit in Nichts.
Darum Volk mahne deine Führer ernsthaft: Muth und Entschlossenheit zu zeigen, oder handle selbst.m

Neben religiösen und didaktischen Formen gab es weitere Möglichkeiten, die politischen
und sozialkritischen Inhalte dem Leser zu vermitteln. So wurden etwa lyrische Mittel verwendet
, welche sich wenig von den vormärzlichen Freiheitsliedern unterschieden. Die propagandistischen
Gedichte, die sich auf Einzelereignisse oder politisch wichtige Personen beziehen
konnten, hatten oftmals einen spöttischen und polemischen Ton und waren teilweise mit
Karikaturen versehen.129 So gab es zwei bedeutende Flugblätter zu Gustav Struve und
Friedrich Hecker, in welchen die beiden Protagonisten der Revolution lächerlich gemacht
wurden.130

124 So etwa auch in einem unter einem Pseudonym verfassten Flugblatt aus Preußen: Unser König is'n janz juter
Mann un och klug, aber natürlich, wenn er dämliche Rathjebers hat, denn machen se ihm konfuse. Zitiert nach
Weigel (wie Anm. 4), S. 68.

125 So etwa wurde der österreichische Kaiser Ferdinand in Flugblättern immer wieder als konstitutioneller Kaiser
gefeiert, der sich von seinen schlechten Beratern befreit hatte. Vgl. Gustav Otruba: Wiener Flugschriften zur
Sozialen Frage 1848. Bd. 2. Wien 1980, S. VII f.

>2& StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 22.

127 Dieses Flugblatt wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Gruppe um den Konstanzer Joseph Fickler herausgegeben
, mit dem Versuch, bei der zentralen Landesversammlung in Offenburg die Republik durchzusetzen.
Vgl. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (wie Anm. 3), S. 226.

>2« StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 19.

129 Weigel (wie Anm. 4), S. 199 ff.

130 Die beiden Flugblätter wurden in verschiedenen Publikationen und Katalogen zur deutschen 48er-Revolution
mehrfach erwähnt, etwa in Badisches Landesmuseum Karlsruhe (wie Anm. 3), S. 364 f.

85


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0085