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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 89
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0089
Wilde Arabiner und reißende Löwen.

Die Algerien-Auswanderung aus der Kaiserstuhlregion

Mitte des 19. Jahrhunderts*

Von

Moritz Deutschmann

Einleitung

Und wir wünschen, daß ihr nur das nöthige Brot hättet und daß Gott alle armen
Leute erhöre, denn wilde Tiere haben wir keine zu fürchten, viel weniger noch
Arabiner, denn in Deutschland sind die wilde Arabiner und reißende Löwen, die
zerreißen ganze Familien.1

Es ist wohl unmöglich, sich heute auszumalen, wie fremdartig Afrika für einen Dorfbewohner
vom Kaiserstuhl im 19. Jahrhundert gewesen sein muss. Man hatte nur unklare Bilder im Kopf
von den „Arabinern", die dort lebten, der unglaublichen Hitze, die alles verbrannte, oder aber
von einem Schlaraffenland, in dem man mehrmals im Jahr ernten konnte. Dorthin auswandern
? Ein Abenteuer ohne Netz und doppelten Boden, in der Regel ohne die Absicherung
durch schon ausgewanderte Verwandte oder Nachbarn, wie sie vielen Nordamerika-Auswanderern
den Start erleichterte. Auch wenn die Auswanderer in ihrer Heimat keine Perspektive
mehr hatten und ihnen nichts anderes mehr übrig blieb, als das eigene Dorf zu verlassen, kann
man ihren Mut und ihre Risikobereitschaft nicht hoch genug einschätzen.

Trotz der zahlreichen Gefahren und Hindernisse, mit denen sich die Auswanderer konfrontiert
sahen, zahlte sich der Einsatz für viele nach einer oft schwierigen Anfangsphase schließlich
aus; für manchen sogar so sehr, dass ihm, wie im oben angeführten Zitat, auf einmal die
Heimat als das eigentlich „wilde" und gefährliche Land erschien. Wenn man an die ökonomischen
und politischen Umbrüche der 1840er-Jahre speziell in Baden denkt, keine so unpassende
Beschreibung. Zu erklären, wie die absolute Fremde unter diesen Umständen zur Heimat
werden konnte und die Heimat zur Fremde, ist das Ziel dieser Arbeit.

Historischer Hintergrund

Algier stand seit 1518 unter türkischer Herrschaft. Die wirkliche Macht im Land ging aber
nicht von Istanbul, sondern vom sogenannten Dey aus, der von der türkischen Garnison in Al-

* Dieser Beitrag gewann im Herbst 2003 einen fünften Preis beim „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten
", der alle zwei Jahre von der Körber-Stiftung in Hamburg veranstaltet wird. Der Wettbewerb will Jugendliche
bis 21 Jahre dazu motivieren, sich mit der Geschichte der eigenen Umgebung zu beschäftigen, und stand
unter dem Thema „Weggehen - Ankommen. Migration in der Geschichte". Moritz Deutschmann studiert zur
Zeit Geschichte, Philosophie und öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Der Abdruck des Beitrages erfolgt
mit Genehmigung der Körber-Stiftung.

1 Ausschnitt aus einem Brief von Georg Landerer aus Neschweier in der Provinz Constantine, Algerien, an seine
Eltern und Geschwister, 24. September 1853, Staatsarchiv Freiburg (StAF), B 694/1, Nr. 56: Sammlung der Notizen
über das Schicksal der Auswanderer 1844-1861.

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