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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 100
(PDF, 49 MB)
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Neben den Naturkatastrophen und Krankheiten bereiteten aber auch die politischen Spannungen
zwischen Deutschen und Franzosen den Auswanderern Schwierigkeiten. Kaum einem
Auswanderer ist es gelungen, der Aufforderung zu folgen, die am Schluss der schon erwähnten
Broschüre des badischen Zweigvereins für deutsche Auswanderung steht: Bewahret in der
neuen Heimath euer deutsches Herz und deutsche Treue. Des Vaterlands, das ihr verlassen,
werdet ihr, so hoffen wir, fort und fort mit Liebe gedenken. Vererbt diese Liebe auf eure Kinder.
Erhaltet eure Muttersprache, sorgt dafür, dass in der Gemeinde, der ihr angehören werdet,
deutsches Wesen mehr und mehr in Aufnahme komme. Aus einzelnen Äußerungen in den Briefen
der Pfaffenweiler Auswanderer und aus den Studien über die elsässische Algerien-Auswanderung
kann man schließen, dass es für diese Menschen einen zunehmenden Druck gab,
sich an die französische Kultur anzupassen. Der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich
hat diese Entwicklung auf die Spitze getrieben. Die Nachkommen der Auswanderer, die nach
dem Algerien-Krieg zusammen mit den Franzosen aus Algerien vertrieben wurden und heute
zumeist in Südfrankreich leben, sind denn auch nur noch an ihren Nachnamen zu erkennen.

Eine besondere Rolle spielte die elsässische Algerien-Aus Wanderung, die sich ebenfalls
schon ab 1830 entwickelt hatte: Vor allem nach der Annexion des Elsass durch Deutschland
wurde es in Frankreich als patriotische Tat gewertet, statt unter der deutschen Fremdherrschaft
zu leben ins unwirtliche Algerien auszuwandern. So bildete sich ein regelrechter nationaler
Mythos um die elsässischen und lothringischen Algerien-Auswanderer, die oft in Orten siedelten
, wo vor ihnen schon badische Auswanderer sich niedergelassen hatten, so zum Beispiel
in Sidi-Lhassen.28 Das Zusammenleben der Neuankömmlinge, die sich als von den Deutschen
Vertriebene sahen, mit den deutschen Kolonisten darf man sich als einigermaßen schwierig
vorstellen.

In einigen späteren Briefen wird deutlich, wie schlecht das Verhältnis zwischen Deutschen
und Franzosen war. So schreibt Wilfried Luhr aus Pfaffenweiler in den 1880er-Jahren: Das
schwerste ist für uns, daß wir unter diesen Menschen [den Franzosen] leben müßen u. immer
in Haß u. Spott ausgesetzt sind.29 In einem anderen Brief schreibt er 1887: Hier wird viel vom
Krieg gegen Deutschland gesprochen die Franzosen sind wieder ganz raßend und blutdürstig
wie Tieger. Die Deutschen sind wieder so arg gehaßt wie an 1870 u. schon überall der Arbeit
entlassen.30

In dem Maße, wie die Auswanderer gezwungen waren, sich an die französische Lebensweise
anzupassen, ließen auch ihre Deutschkenntnisse nach. Wilfried Luhr schreibt an den
Ratsschreiber Hafner in Pfaffenweiler 1886, also etwas mehr als dreißig Jahre nach der Auswanderung
: Sie haben Ihre Theilzettel [einer Erbschaft; Anmerkung von Gerhard Auer] erhalten
u. sind da u. dort angewiesen, aber kennen Niemand, können nicht deutsch lesen und
nicht schreiben u. nur noch mit Mühe etliche Worte deutsch sprechen.31 In einem anderen Brief
aus dem gleichen Jahr heißt es: Der Severin Schwab bittet Sie Ihnen die Mühe zu ersparen u.
in Zukunft nicht mehr zwei Briefe zu schreiben indem er ja nicht Deutsch lesen kann u. nur
sehr wenig Deutsch versteht.32

Vor der Auswanderung hatten einige Kaiserstühler die Befürchtung, dass sie in einem nichtchristlichen
Land ihren Glauben aufgeben müssten. Das kann man jedenfalls aus den gegenteiligen
Beteuerungen schließen, die sie in ihre Heimatgemeinden geschickt haben. Jetzt sind
wir auf unserem Platz und auf diesem müssen wir eine Stadt bilden. Und nach zwei Tagen ankommt
jede Woche ein deutscher Pfarrer und wir müssen strenge unsere Kinder zum Glauben

28 siehe die Karte bei Fischer (wie Anm. 26), S. 41.

29 Gemeindearchiv Pfaffenweiler (GAP), 1 Blb. Zitiert nach Auer (wie Anm. 19), S. 40.

30 Ebd., S. 39.
3' Ebd., S. 34.
32 Ebd., S. 35.

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