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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 103
(PDF, 49 MB)
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ihnen gesetzt sind, zu befreien zu hoch findet, warum scheuten sie keine Kosten im Jahr 1848,
für Gewehre, Pulver, Kleider u.d.gl. zu kaufen, für die Freischaren, die Landesstürmer, die
Staatsverfolger u. wie man sie sonst noch nennen kann. Damals war ihnen keine Reise zu beschwerlich
, keine Witterung zu roh und keine Summe Geld zu groß, für alle Städte im Elsaß u.
in der Schweiz zu durchstreifen, um Waffen u.d.gl. Sachen herzuschaffen für diese wüthenden
Bluthdürstigen Menschen. Weiter heißt es: Hart, ja Himmelschreiend ist es, auf solche Art aus
unserem Vaterland verstoßen zu haben u. wir bei fremden Völkern unser Leben durchmarttern
müssen. Insbesondere warfen die Auswanderer dem Gemeinderat vor, er habe ihnen die Lebensverhältnisse
in Algerien zu idyllisch ausgemalt, um sie möglichst schnell loszuwerden.
Dieser Vorwurf ist nicht ganz unberechtigt: Der Gemeinderat hatte vor der Auswanderung
beim französischen Präfekten Erkundigungen über die Lebensbedingungen in Algerien eingezogen
, die recht entmutigend waren. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass nur für wenige
Auswanderer eine Arbeitsmöglichkeit zur Verfügung stehen würde. Diese Informationen wurden
aber nicht an die Auswanderer weitergegeben.

Der Rückkehrversuch scheiterte; die badischen Behörden lehnten das Ersuchen ab. Erst dem
Sohn von Wilfried Luhr, Franz Xaver Luhr, gelang auf abenteuerlichem Weg die Rückkehr. Er
meldete sich im deutsch-französischen Krieg 1870/71 als Soldat auf französischer Seite und
lief zu den deutschen Truppen über. Mehr als dreißig Jahre lebte er in seiner Heimatgemeinde
als Tagelöhner, bevor er 1907 angeblich bei einem Sturz von der Kirchenempore ums Leben
kam. In der Pfaffenweiler Ortsgeschichte taucht er unter dem Namen „d'Afrik" auf.

Ein besseres Leben in der neuen Heimat?

In den meisten Untersuchungen über die badische Algerien-Auswanderung wird eine sehr
negative Bilanz gezogen. So behauptet Hermann Baier, die deutschen Siedler seien von den
französischen Behörden bei der Auswahl des Landes benachteiligt worden; etwa die Hälfte der
Einwanderer sei an Krankheiten gestorben. Zahlreiche hätten versucht, wieder nach Deutschland
zurückzukehren. Er stützt sich dabei vor allem auf die Akten des badischen Innenministeriums
. Auch die neuere Untersuchung von Gerhard Auer bilanziert: „Die Algerien-Auswanderer
konnten nicht heimisch werden in einem Land, in dem die einheimische Bevölkerung
im Moment der Einwanderung um politische, kulturelle und wirtschaftliche Macht
gebracht wurde, in einem Land, in dem die Besatzungsmacht durch Militärpolitik heimisch
werden wollte."37

Diese negative Einschätzung steht in einem deutlichen Gegensatz zu dem Fazit, das ein
Großteil der Auswanderer vom Kaiserstuhl in den Briefen in die Heimat zog. Die meisten
Auswanderer bewerteten ihre Lage nämlich ausgesprochen positiv. In einem Brief von Katherina
Meyer vom 1. November 1853 heißt es: Es hat uns noch nie gereut, dass wir in Afrika
sind. Wenn wir es zu Hause gewusst hätten, wie wir es bekommen, dann wären wir mit Freude
nach Afrika gegangen. Die materielle Situation der meisten Auswanderer hatte sich sehr gebessert
: Es geht mit so gut, als nur in Ihringen sein kann, ich esse kein Korn und kein Gerstenbrot
, wir essen Weizenbrot, jeden Tag, schöner als bei Euch auf der Hochzeit, heißt es am
Ende eines Briefes von 1854. Sehr viele Brief Schreiber forderten sogar die Daheimgebliebenen
auf, nach Algerien nachzukommen und boten den Nachzüglern Unterstützung oder sogar
ein Stück Land an. So schreibt zum Beispiel Johann Baptist Sattler aus Gellabusa: Jetzt, wir
raten Euch zu uns zu kommen, denn wir haben kein Verlangen mehr nach Deutschland zu gehen
und ich wünschte, dass alle armen Leute bei uns wären. Andere Auswanderer hätten gerne
Geld in die Heimat geschickt, was jedoch die französischen Behörden untersagt hatten.

Recht häufig findet sich in den Briefen auch die Aufforderung an die Verwandten, den Aus-

37 Auer (wieAnm. 19), S. 68.

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