Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 104
(PDF, 49 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0104
Wanderern ihre Taufscheine zu schicken. Diese waren insbesondere zu einer Heirat nötig:
Könnt ihr vielleicht nicht alle [Taufscheine] auf einmal schicken, so schickt doch - seid so gut
- der meine für mich, Rosalia, da ich versprochen bin mit einem braven geschickten Steinmetz,
mit einem Italiener.

Diese sehr positiven Darstellungen decken sich nicht mit den überwiegend negativen Nachrichten
, die man im Innenministerium in Karlsruhe von der Algerien-Auswanderung hatte.
Teilweise mag es sein, dass die Auswanderer vom Kaiserstuhl einfach nur Glück gehabt haben
, aber angesichts der Zahl der Auswanderer und vor allem ihrer Verteilung auf verschiedene
Regionen Algeriens ist diese Erklärung unbefriedigend. Eine wichtige Rolle spielt sicherlich
, dass es fast allen Auswanderern vom Kaiserstuhl gelang, sich als Siedler mit Landbesitz
niederzulassen; sie gehörten also zu der Gruppe von Auswanderern, die am wenigsten Probleme
hatte.

Es könnte aber auch noch tiefer liegende Gründe für die negative Beurteilung der Algerien-
Auswanderung durch das Innenministerium geben. So war es sicher nicht ganz bedeutungslos,
dass man in der deutschen Öffentlichkeit insgesamt nicht besonders gut auf die Algerien-Auswanderung
zu sprechen war. Zwei Tatsachen sind in diesem Zusammenhang wichtig: Die Auswanderung
war nicht zuletzt ein großes Geschäft. Besonders stark macht sich das bei der Nordamerika
-Auswanderung bemerkbar, wo große Auswanderungsagenturen den Transport von den
Häfen am Rhein bis zum Zielort in Amerika organisierten. Der französische Präfekt für das
Departement Bas-Rhin erhob schon 1845 den Vorwurf, die Auswanderungsagenturen hätten in
der deutschen Presse eine Kampagne gegen die Algerien-Auswanderung unterstützt, um ein Umschwenken
des lukrativen Auswandererstroms von Nordamerika nach Algerien zu verhindern:

Die Presseorgane scheinen einer Gesellschaft zur Verfügung zu stehen, die sich mit der Kolonisierung
von Texas beschäftigt und die versucht, den hauptsächlichen Strom der jährlichen
Auswanderung dorthin zu drehen ...Es ist in erster Linie der in Köln gedruckte „Rheinische
Beobachter" der sich zum Betreuer dieser Kolonisation von Texas gemacht hat und der sich
absurde Andeutungen zum Thema Algerien erlaubt?*

Ob sich hinter diesen Vermutungen mehr als nur die Frustration darüber verbirgt, dass die
Bedeutung der Auswanderung nach Algerien nie im entferntesten an die der Nordamerika-
Auswanderung heranreichte, ist ungewiss. Sicher ist allerdings, dass die Algerien-Auswanderung
mit der Verschlechterung des deutsch-französischen Verhältnisses seit der Rheinkrise
1839 in Deutschland immer negativer gesehen wurde. Im 19. Jahrhundert spielten Fragen der
Demographie und insbesondere des Bevölkerungswachstums eine wesentlich größere Rolle
als heute; sie waren außerdem stark mit patriotischen Gefühlen besetzt. Dass Tausende Deutsche
das eigene Land verlassen hatten und ausgerechnet beim „Erbfeind" eine bessere Zukunft
suchten, muss spätestens ab 1871 für die meisten deutschen Beobachter ein unerträglicher Gedanke
gewesen sein. Eine besondere Spitze lag dabei noch in dem Gedanken, dass die Auswanderer
Frankreich bei der Erweiterung seines Kolonialreichs halfen; schließlich hatte es
Deutschland selber nie zu bedeutenderen Kolonien gebracht.

38 Zitiert nach Fischer (wie Anm. 26), S. 20. Übersetzung Deutschmann.

104


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0104