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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 108
(PDF, 49 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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beitet hatte und sie schließlich 1870 mit Hilfe Johann Caspar Bluntschlis4, des späteren Großmeisters
der Bayreuther Großloge „Zur Sonne", genehmigt bekam. Dies als deutschlandweit
rund sechs Dekaden lang geltendes Brauchtum für alle Tochterlogen.

Kernsymbol der unter dem Namen „Freiburger Ritual" bekannten freimaurerischen Handlungsanleitung
mit systemtreu gebundenen, weil schriftlich fixierten Wechselreden der ausführenden
Logenbeamten - überdies wohl entstanden trotz oder gerade angesichts der überwiegend
katholischen Bevölkerungsanteile in der Stadt und entsprechend klerikal anmutenden
Atmosphäre -,5 war das so genannte „Weiße Buch" (anstatt der weltweit logenüblichen Bibel),
ein Band mit der Goldaufschrift GOTT und ansonsten leeren Blattseiten als fundamentalistisch
verstandener Ausdruck des traditionellen freimaurerischen Toleranzgedankens und der Gewissensfreiheit
seiner protestantischen, katholischen, jüdischen oder freireligiösen (heute auch
moslemischen) Mitglieder.6 Kurz: Eine bestimmte Freiburger Bruderschaft setzte vor anderthalb
Jahrhunderten sehr fortschrittliche Maßstäbe zumindest einmal in der friedenssichernden
Innenarbeit.

Nun konnte im Teil I dieses Beitrags nachgewiesen werden, dass die Stadt trotz des die deutschen
Gemüter teils lähmenden, in sehr vielen Fällen jedoch auch Ressentiments fördernden
Versailler „Diktatfriedens" zu Recht als Ausgangspunkt der freimaurerisch-pazifistischen
Außenarbeit im Sinne einer Verständigung mit Angehörigen des vorherigen Weltkriegsfeindes
Frankreich geworden war.7 Und dies qua Engagement örtlicher, regionalbadischer und weiterer
deutscher Logenmitglieder des „Freimaurerbundes Zur Aufgehenden Sonne" (FZAS) über
mehr als eine Dekade gegenüber einer ebenfalls im Stillen wirkenden, mit großer Zuversicht
erfüllten französischen Minderheitengruppe. Doch nicht nur das: Freiburg bildete mit der Ausrichtung
der halböffentlichen XI. Internationalen Freimaurerischen Friedenskundgebung an
Pfingsten 1932 durch die örtliche FZAS-Loge „Zur Brudertreue" - sie arbeitete unter noch
weiter gehender Ritual- und Gewissensfreiheit ebenfalls mit dem „Weißen Buch", dabei ohne
eine religiös bindende Aufschrift - zugleich den die Stadt ehrenden pazifistischen Schlusspunkt
in der Weimarer Zeit.8

Welche Mitglieder welchen konkreten Anteil an den rund 13-jährigen Logenaktivitäten hatten
, ja welcher freimaurerische Weg überhaupt die Gründer zur Freiburger Konstituierung
führte und welches Los einige von ihnen ab 1933 traf, zeigt der letzte Teil dieser Untersuchung.

Heimat an der Revolution beteiligt und war über Heidelberg (mit Teilnahme am Hambacher Fest) als Emigrant
nach Freiburg gelangt, wo er sein Universitätsstudium fortsetzte und abschloss. 1840 initiierte ihn eine Loge in
Mülhausen/Elsass zum Freimaurer. 1847 trat er der Freiburger Loge bei, war dort in Zeiten ihrer Tätigkeit knapp
eine Dekade lang entweder Stuhlmeister, Zugeordneter Stuhlmeister oder Redner und trat reformfrei maurerisch
auf. Zu weiteren Details seiner Vita siehe Antonin MeStan: Friburgum slavicum. In: Schau-ins-Land 102, 1983,
S. 39-46, hier S. 40-42.

4 Professor Dr. jur. Johann Caspar Bluntschli (7.3.1808 Zürich-21.10.1881 Karlsruhe), in der hier in Frage stehenden
Zeit Hochschullehrer an der Universität Heidelberg für Privat- und Staatsrecht, war 1838 in seiner Geburtsstadt
Freimaurer geworden, 1864 einer Heidelberger Loge beigetreten, dort zum Stuhlmeister und 1872 zum
Großmeister der Obedienz gewählt worden. Bluntschli hatte sich als Vorkämpfer gegen den Ultramontanismus
hervorgetan, indem er sich 1865 mit seinem offenen Brief an Papst Pius IX. wandte, der - wie viele seiner Vorgänger
- die Freimaurerei erneut verdammt hatte.

5 Z. B. waren von den 53.118 Einwohnern Freiburgs im Jahre 1895 laut „Brockhaus' Konversations-Lexikon", Bd.
7, 1898, 37.480 römisch-katholisch, 14.083 evangelisch, 989 israelitisch und über 500 Personen anderer Zugehörigkeit
.

6 Für einen Christen war der Eintritt in eine Freimaurerloge - und zwar unabhängig von seiner Konfessionszugehörigkeit
- grundsätzlich immer möglich. Katholiken erlitten indes von der eigenen Seite Sanktionen, indem
der Klerus sie exkommunizierte, sobald er von ihrer Logenmitgliedschaft erfuhr. Primär aus dieser und weiteren
Zwangsmaßnahmen auch staatlicher Organe gründete sich im 18., 19. und lange noch im 20. Jahrhundert die
Entscheidung freimaurerischer Großkörperschaften, Listen mit Personaldaten unveröffentlicht zu belassen oder
einzelne Namen zum Schutz der Betroffenen geheim zu halten.

7 Mebes, Schau-ins-Land 121 (wie Anm. 1), S. 131.
" Ebd., S. 145.

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