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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 111
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in der Stadt, und sie zeigen, dass der weltanschaulich-kritische Zeitgeist nach der Jahrhundertwende
, wie ihn dogmenfrei der FZAS unter freimaurerischem Vorzeichen vertrat, auch in den
diversen gesellschaftlichen Schichten der gesamten südbadischen Region in einem beträchtlichen
kulturellen Einflussbereich Freiburgs Platz gegriffen hatte. Über die Erfahrungen der
fünf „Straßburger" ab 1909/11 ließ er sich überdies auch persönlich vermitteln.

Zu solchen, 1920 bereits „historischen" Erfahrungen gehörten vielerlei Ereignisse mit Eindrücken
und Einschätzungen des gesellschaftspolitischen Zeitgeist-Status Quo, wie sie qua
überlieferter Protokolle ab 1910 noch heute nachzulesen sind und uns Zeugnis über manche
Denkweise - zumindest der tragenden FZAS-Mitglieder - abgeben:

Am 23. Januar [1910] wurde in der Hochburg des Klerikalismus und auf dem Kampfplatz zwischen Statthalter
und Bischöfe die Ortsloge ,Aurora' unseres Bundes konstituiert... Nach einer Pause zogen dann
die Brr unter Führung des Großsekretärs wie zum Kampf gerüstet mit den Symbolen in den Tempel ein,
um das Licht der aufgehenden Sonne 14 in einem Saal des früheren kath. Kasinos zu entzünden ... Mit
einer sehr beifällig aufgenommenen Ansprache übernahm [Br. Reis als erster Stuhlmeister] sein Amt und
erteilte dem [Großsekretär] das Wort zu einem Vortrage über Frmei. und Weltanschauung.

Auf insgesamt zwanzig Druckseiten in den „Sonnenstrahlen", dem monatlich erschienenen
„Bundes-Organ des F.Z.A.S.", erhalten geblieben sind sowohl der Vortrag des aus Nürnberg
angereisten Großsekretärs unter dem Titel „Loge - Freimaurerei - Monismus" als auch der
12-seitige Bericht eines Besuchers aus Hamburg, der sich ein wenig Zeit für die Stadt nahm,
mit der Überschrift „Das Straßburger Münster und wie sichs ein Argloser ansah".15 Darüber
hinaus eine weitere Rede anlässlich der Straßburger Feierlichkeiten unter dem Titel „Der
Sternhimmel" von einem Teilnehmer „P.H.", deren Quintessenz in der Aussage einer Vergeblichkeit
mündete, dort(!) ein über der Materie und deren Kräfte stehendes Wesen zu suchen,
das als Erschaffer, Erhalter, Lebensspender oder Beweger wirkt, [denn] dessen Dasein [ist]
unnatürlich ... Kein vernünftig frei denkender Mensch [kann] für diese Naturgesetze einen
übernatürlichen Gesetzgeber, Richter, Leiter, Hüter, Bestätiger oder gar einen Anwalt fordern
oder suchen.16

Nun müssen die Äußerungen des Protokollanten als auch die überlieferten drei Texte unter
dem starken öffentlichen Eindruck von Disziplinierungsmaßnahmen gesehen werden, die
Papst Pius X. kurz nach seiner Wahl im August 1903 gegen den so genannten Reformkatholizismus
eingeleitet hatte. Danach hätte sich die Kirche gegenüber neuen wissenschaftlichen und
gesellschaftlichen Strömungen abzuschotten. Mit dem Syllabus „Lamentabili" vom Juli 1907
und der Enzyklika „Pascendi dominici gregis" vom September 1907 enthielten seine Verfügungen
denn auch die offizielle Verdammung aller Glaubensirrtümer als Antwort auf den „Modernismus
", den er als Summe sämtlicher Häresien ansah und dessen Vertilgung er anordnete.
Dazu hatte er im September 1910 weiter verfügt, dass Professoren, Beichtväter, Prediger, Weltgeistliche
, Kanoniker und Beneflziaten den „Antimodernisteneid" zu leisten hätten.17 In diesem
Zusammenhang europaweit bekannt geworden war vor allem der „Fall Wahrmund". Mit
seinem 1908 in München gedruckt erschienenen Vortrag „Katholische Weltanschauung und
freie Wissenschaft" hatte der Innsbrucker Kirchenrechtler Ludwig Wahrmund bei Klerikern
dermaßen Anstoß erregt, dass sein Buch in Österreich beschlagnahmt wurde, der Nuntius ein-

14 An dieser Stelle sei an zehn bedeutungsvolle Zeilen im zweiten Aufzug der Freimaurer-Oper „Die Zauberflöte"
von W. A. Mozart und E. Schikaneder erinnert: (a) „O Isis und Osiris, welche Wonne! / Die düstre Nacht verscheucht
der Glanz der Sonne." (20. Auftritt; Chor der Priester), (b) „Bald prangt, den Morgen zu verkünden, /
die Sonn' auf goldner Bahn. / Bald soll der Aberglaube schwinden, / bald siegt der weise Mann!" (26. Auftritt;
drei Knaben), (c) „Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht, / zernichten der Heuchler erschlichene Macht.
(30. Auftritt; Sarastro). Heil sei euch Geweihten! / Ihr dränget durch Nacht!" (Chor).

15 „Sonnenstrahlen", Zeitschrift des F.Z.A.S., Märzheft 1910, S. 257-265 und Februarheft 1910, S. 225-236.
i« Ebd., Januarheft 1910, S. 194-197.

17 Teils wörtlich aus: Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. Tübingen 181960.

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