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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 140
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sprechungen - führen. Dies gelte vor allem in Fällen der Weiterverbreitung von abgehörten
Nachrichten.5 Der Staatssekretär im Reichsjustizministerium und spätere Präsident des Volksgerichtshofs
, Roland Freisler, erklärte analog hierzu, die Gerichte hätten sich entsprechend nur
mit schweren Fällen zu befassen.6 Die Praxis sah freilich anders aus, selbst das Hören von
Musikdarbietungen ausländischer Stationen wurde verfolgt. Es wurde auch nicht zwischen so
genannten „Feindsendern" und Sendern neutraler Staaten, wie etwa denen der Schweiz, unterschieden
. Sogar das Hören von Stationen des mit Deutschland verbündeten faschistischen Italiens
war gemäß der Rundfunkverordnung untersagt.

Am 14. Dezember 1939, knapp ein Vierteljahr nach Erlass der Rundfunkverordnung, vermerkte
Goebbels in seinem Tagebuch, die ausländischen Sender würden doch sehr stark abgehört
. Weiter notierte er: Ich lasse einige drakonische Urteile aussprechen und veröffentlichen
. Vielleicht hilft das.1 Im Propagandaministerium wurde ferner veranlasst, ein Jurist solle
über Rundfunk das Volk aufklären, wobei die in letzter Zeit verhängten schweren Urteile nicht
unerwähnt bleiben sollten. Dieser juristische „Aufklärungsvortrag" ging am 26. Januar 1940
über alle deutschen Sender.8 Außerdem wurde in den Kinos vor dem Hauptfilm ein Filmsketch
über das Abhörverbot gezeigt. Aber angesichts des weit verbreiteten „Nachrichtenhungers",9
der mit Verlauf des Krieges wuchs und den das Regime mit seinen gleichgeschalteten Medien
nicht zu befriedigen vermochte, erwies es sich als schier aussichtslos, dem unerwünschten Abhören
beizukommen. Hierzu trug auch die teils ungeschickte Informations- und Propagandapolitik
des Regimes bei. Als Rudolf Heß, der „Stellvertreter des Führers", am 10. Mai 1941
mit dem Fallschirm über Großbritannien abgesprungen war, um angeblich mit der britischen
Regierung zu „verhandeln", brauchten Hitler und sein Propagandaminister drei Tage, um die
Unternehmung von Heß als dessen persönliche Wahnidee zu erklären.10 Entsprechend berichtete
beispielsweise der Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident nach Berlin, er habe den Eindruck
, als ob während des Krieges noch nie so viele ausländische Sender abgehört worden sind
als in diesen Tagen.11

Die Zunahme des Abhörens intensivierte schließlich auch innerhalb der NSDAP die Debatte
über eine Verstärkung der präventiven Abschreckung. Hierzu wurde im Sommer 1941 eigens
ein Warnzettel entwickelt, der zwischen Sendersuchknopf und Radiogerät geklemmt werden
sollte. Die Aufschrift lautete:

Das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres
Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet.
Denke daran.12

Die Blockleiter bzw. Blockwarte waren für die Verteilung der Warnzettel zuständig und soll-

5 Vgl. den Erlass Heydrichs zur Rundfunkverordnung vom 7.9.1939; BArch, R 58/626, Bl. 4.

6 Vgl. die Aufsätze Freislers vom Dezember 1939 und Januar 1940 in den amtlichen Verlautbarungen „Deutsche
Justiz" (DJ): „Gedanken zum Kriegsstrafrecht und zur Gewaltverbrecherverordnung", in: DJ 101 (1939), S.
1849-1856 und „Zur Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen", in: DJ 102 (1940), S. 105-108.

7 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil I: Sämtliche Fragmente, Aufzeichnungen 1924-1941. 4 Bde. Hg. von
Elke Fröhlich. München/New York/London/Paris 1987, hier Bd. 3, S. 665.

8 Der Vortrag über das Abhörverbot ausländischer Sender wurde von Rechtsanwalt Schirmer im Einvernehmen
mit dem Pressereferenten des Reichsjustizministeriums, Staatsanwalt Erhardt, entworfen; vgl. BArch, R 50.01/
630, Bl. 296 f.

9 Eine Bezeichnung, die der SD in seinen „Meldungen aus dem Reich" mehrfach verwandte; vgl. Meldungen aus
dem Reich. Auswahl aus den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS 1933-1945. Hg. von Heinz
Boberach. Neuwied/Berlin 1965, S. 60 (15.4.1940) und S. 372 (März 1943).

10 Vgl. hierzu Rainer F. Schmidt: Rudolf Heß - „Botengang" eines Toren? Der Flug nach Großbritannien vom 10.
Mai 1941. Düsseldorf 1997.

11 Bericht des Oberlandesgerichtspräsidenten (OLGPräs.) Stuttgart an das Reichsjustizministerium vom 3.7.1941;
BArch, R 22/3387, Bl. 29.

'2 BArch, NS 18/35, Bl. 79.

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