Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 143
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0143
666 Personen durchgeführt worden war.25 Von den Befragten, die angaben ausländische Sender
abgehört zu haben, nannten 48 Prozent Radio Luxemburg, 46 Prozent britische Stationen
und 13 Prozent Schweizer Sender, 8 Prozent davon Beromünster. Mit jeweils 4 Prozent für
Radio Moskau bzw. amerikanische Stationen fanden diese keine nennenswerte Resonanz. Dagegen
wollten 23 Prozent der Befragten einen Soldatensender gehört haben, womit die Befragung
wohl am ehesten ein Bild des illegalen Abhörens während der Schlussphase des Krieges
vermittelt.

... die deutschen Nachrichten mit den ausländischen Berichten vergleichen.
Informationsdefizit und „Nachrichtenhunger"

Die Gründe und Motive für das Abhören, soweit sich diese aus den Verfahren beschuldigter
oder verurteilter Abhörer rekonstruieren lassen, waren überaus vielfältig und lassen sich nicht
immer exakt bestimmen. Zweifellos kam dem bereits angesprochenen „Nachrichtenhunger"
angesichts der NS-Propagandahoheit und der gleichgeschalteten Medien eine ursächliche Bedeutung
zu. Die in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebrachte Erklärung der Beschuldigten
, sie hätten vor allem aus Neugierde gehandelt, ist insoweit als glaubhaft und nicht
nur als Schutzbehauptung zu bewerten, als die Betroffenen sich ansonsten als loyale Volksgenossen
verhielten. Auch der Vergleich der ausländischen Nachrichtensendungen mit den
deutschen Meldungen wird häufig genannt. So beispielsweise im Falle einer aus Freiburg
stammenden Ehefrau, der vorgeworfen worden war, sie hätte im Januar 1943 die militärischen
Nachrichten, insbesondere die Heeresberichte der Feindmächte auf Radio Beromünster
gehört, weil sie durch die schwierige Lage im Osten neugierig geworden war und die deutschen
Nachrichten mit den ausländischen Berichten vergleichen wollte.26 Und in der Tat
brachte der Landessender Beromünster nicht nur die militärischen Lageberichte der mit dem
deutschen Reich verbündeten Achsenmächte, sondern auch die der Alliierten. Entsprechend
sind auch Fälle dokumentiert, in denen Hörer mit einer Landkarte vor dem Radioapparat saßen,
um sich anhand der deutschen und der alliierten Heeresberichte ein Bild vom tatsächlichen
Frontverlauf zu machen.27

Auch wenn die Rekonstruktion der Abhörmotive ein schwieriges Unterfangen ist, so kristallisiert
sich aus den erfassten Informationen eine eindeutige Tendenz heraus. Bei dem Gros der
abgehörten Nachrichten handelt es sich überwiegend um Tagesmeldungen vom Kriegsgeschehen
, beispielsweise Angaben über Verlustzahlen, über Bombardierungen und Fliegerangriffe
sowie Meldungen über den Frontverlauf. Aus diesen allgemeinen Geschehnissen ragen einige
bedeutende Ereignisse heraus, die sich auch in Rundfunkverfahren niederschlugen. Als eine der
ersten Begebenheiten, die zugleich erstmals eine tiefgehende Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise
breiter Volksschichten bezüglich der deutschen Informationspolitik bewirkte, wäre
hier der bereits erwähnte Flug des „Führerstellvertreters" Heß nach England zu nennen, der bezeichnenderweise
später als Flucht2*1 charakterisiert wurde. So gestand ein 51-jähriger Schlosser
aus Stockach, den Sender Beromünster deshalb abgehört zu haben, weil er nur habe erfahren
wollen, was mit Heß denn eigentlich los war. Das Sondergericht Freiburg musste in diesem
Fall schließlich strafmildernd einräumen, daß der Angeklagte nachweisbar nur dieses eine Mal

25 Vgl. im folgenden Max Ralis: Über einige Erfahrungen aus der Praxis der Sozialforschung. Diss. rer. pol. Köln
1953. Die Studie ist problematisch: So wird beispielsweise der Sender Luxemburg/Luxembourg pauschal unter
verbotene ausländische eingereiht, obgleich dieser bis zur Rückeroberung durch die Alliierten im September
1944 unter deutscher Kontrolle stand und somit nicht unter das Abhörverbot fiel.

26 Vgl. das Verfahren StAF, A47/1-1468-1470.

27 Vgl. etwa das Verfahren StAF, A47/1-1571-1580.

28 So gleichlautend die Bezeichnung im Vernehmungsprotokoll der Gestapo wie auch in der Urteilsniederschrift
des Sondergerichts Freiburg aus dem Jahre 1942; vgl. StAF, A47/1-967-970.

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