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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 149
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0149
ein Landbürgermeister sich anmaßte, gewissermaßen die Amtsgeschäfte der Geheimen Staatspolizei
wahrzunehmen:

Um Hinkunft Fälle, wie den vorstehenden erfolgreich zu bearbeiten zu können, ist es notwendig
, daß die Kreisleitung ihr bekannt gewordene Fälle an die Geheime Staatspolizei
als zuständige Behörde weiterleitet und nicht einen Landbürgermeister mit der Durchführung
von Feststellungen und Personenvernehmungen beauftragt.

Wie das angeführte Beispiel belegt, war die Gestapo nicht nur auf die zweckdienliche Mitwirkung
anderer Behörden oder Parteistellen angewiesen. Vielmehr bedurfte es zum Aufspüren
von „Rundfunkverbrechern" vor allem der Zuträgerschaft aus der Bevölkerung, hörte man
doch für gewöhnlich im engsten Kreise und unter gewissen Vorsichtsmaßnahmen die ausländischen
Sender ab. So mahnte etwa die BBC immer wieder zur Vorsicht.49 In diesem Zusammenhang
ist allerdings bemerkenswert, dass gerade auf dem Land, wo die dörfliche Gemeinschaft
eine vermeintliche Sicherheit suggeriert zu haben schien, oft völlig sorglos und ohne
jegliche Sicherheitsmaßnahmen ausländische Sender eingestellt wurden. So pflegte beispielsweise
die Witwe Frieda W., die in Überlingen über einem Bäckerladen wohnte, ihren Radioapparat
so laut einzustellen, daß man ihn sogar auf der Straße hören konnte. Weiter wurde berichtet
, die Nachrichten des Londoner Senders müsse Frau W. immer mit größter Genugtuung
aufgenommen haben, da sie beim Abhören in die Hände klatschte. So konnte es letztlich nicht
ausbleiben, dass die Witwe angezeigt wurde.50 Insgesamt spielte die Denunziation bei „Rundfunkverbrechen
" eine große Rolle. Die Gründe hierfür waren vielfältig, obgleich sie aufgrund
der Aktenlage nicht immer eindeutig benennbar sind. Häufig ging es um Streitigkeiten, Missgunst
und Rache, also um die Durchsetzung persönlicher Interessen, auch wenn politische Motive
vorgeschoben wurden. So etwa im Falle des Denunziationsschreibens eines Soldaten, das
dieser kurz nach dem Überfall auf die Sowjetunion direkt an die Gestapo geschickt hatte:

Ich befinde mich z. Zt. im Res.Laz. Konstanz wegen Venenentzündung und sehe mich verpflichtet
als Soldat und Hauswirt, Sie auf meinen Mieter Farn. Paul M. ... aufmerksam zu
machen. Da der Kampf gegen den Kommunismus begonnen hat, wäre es sehr angebracht,
frühere Anhänger wie diese, in Augenschein zu nehmen. Durch meine Einberufung zum
Heer bewohnen diese Leute allein mein neuerbautes Haus, da vermute ich bestimmt, daß
sie die nächtlichen Sendungen in deutscher Sprache von Moskau evtl. auch London am
Radio hören. Ich ersuche Sie deshalb um diese Zeit am Fenster nordost hinter dem Haus
diesen Leuten abzulauschen.51

Hintergrund des zitierten Denunziationsschreibens war eine Räumungsklage des Vermieters
gegen seine Mieter, das insofern seine beabsichtigte Wirkung entfaltete, als es zu einem Strafverfahren
gegen die Denunzierten kam und somit die Wohnung frei wurde. Nicht immer nahmen
die Denunziationen den gewünschten Gang. Gerade bei einem solch häuslich-intimen
Delikt wie dem verbotenen Abhören, das auch unter Vorsichtsmaßnahmen erfolgte, setzte die
Kenntnis vom illegalen Tun in der Regel eine gewisse räumliche oder persönliche Nähe, sei es
in Form von Nachbarschaft oder Bekannt- bzw. Verwandtschaft, voraus. Wer also entsprechendes
„Feindhören" zur Anzeige brachte, lief schnell Gefahr, sich dem Verdacht auszusetzen
, vielleicht schon über längere Zeit von dem „staatsabträglichen" Treiben gewusst oder gar
selbst mitgehört zu haben. So erging es einem Denunzianten, der wegen Streitigkeiten seine
Nachbarn und Hausbesitzer angezeigt hatte, mit denen er sich zehn Monate zuvor bei gemeinsamen
Besuchen ebenfalls beim Abhören beteiligt hatte. Als Mithörer wurde nun auch ge-

49 Vgl. Carl Brinitzer: Hier spricht London. Von einem der dabei war. Hamburg 1969, S. 284.

50 Vgl. das Verfahren StAF, A47/1-471-476.

51 Schreiben vom 23.7.1941; vgl. das Verfahren StAF, A47/1-539-547.

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