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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 151
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schem) Leumund der Beschuldigten - unternahm die Gestapo nichts weiter oder ließ es bei
einer Verwarnung, der Einziehung des Rundfunkgerätes und/oder befristeter Polizeihaft bewenden
.

Dieser Befund vermag zunächst überraschen, verbindet sich doch mit dem Begriff Gestapo
gemeinhin die Vorstellung von blankem Terror und Schrecken. Diesen gab es ebenso, so verzichtet
die Gestapo zu keinem Zeitpunkt darauf, einen Delinquenten auch direkt in ein Konzentrationslager
zu überstellen. Insgesamt, so die These, bewegte sich die Gestapo bei der
Durchsetzung des Abhörverbotes in einem Spannungsfeld zwischen dem Einsatz von Terror
und dem Drohen mit dem Sondergericht einerseits sowie andererseits einer in diesem Maße
nicht erwarteten, aber wohl kalkulierten Nachsicht oder einer gewissen Großzügigkeit, wie
Heydrich formulierte.58 Das Kalkül, das dahinter steckten mochte, hieß Abschreckung unter
Einsatz geringer Mittel. Außerdem sprachen ganz praktische Gründe gegen ein allzu konsequentes
Durchgreifen. So führte beispielsweise die Gauleitung Brandenburg zwar Klage darüber
, dass im Gefolge des Aufsehen erregenden Englandfluges von Heß in jedem Kreis hundertfach
ausländische Sender gehört werden würden, es jedoch unmöglich sei, die Verhaftungen
aller durchzuführen, wenn man nicht die Arbeitsstätten brachlegen wolle.59

Allerdings sind in der Verfolgungsintensität der Gestapo von „Rundfunkverbrechen" auch
regionale Besonderheiten zu konstatieren. Nirgendwo wurde das Abhören, selbst von Musiksendungen
, so rigide verfolgt wie in Südbaden. Dies zeigt sich nicht nur in der Analyse der
Verfahrensakten, sondern auch im Vergleich der Anteile, den die Rundfunkverfahren an Sondergerichtsverfahren
insgesamt hatten: Soweit Daten anhand der Literatur zur NS-Sonderge-
richtsbarkeit ausgewertet werden können, lässt sich ein durchschnittlicher Anteil der Rundfunkverfahren
zwischen etwa 3 bis 6 Prozent während der Kriegszeit ermitteln. So lag die entsprechende
Quote bei den Sondergerichten Berlin, Duisburg und Bremen bei 3, bei den
Sondergerichten Dortmund, Düsseldorf und Bielefeld bei 4, beim Sondergericht Wuppertal bei
rund 5 und bei dem Sondergericht Hannover bei knapp 6 Prozent. Dagegen betrug der Anteil
der Rundfunkverfahren an den sonstigen Sondergerichtsverfahren beim Sondergericht Freiburg
rund 15 Prozent. Diese beträchtliche Abweichung dürfte sich aus der regionalen Besonderheit
der südbadischen Grenzprovinz mit ihren traditionellen Hörgewohnheiten und hervorragenden
Empfangsbedingungen der Schweizer Sender, insbesondere Radio Beromünster, erklären
. Hinzu kamen die abendlich eingeschränkten Sendeleistungen der deutschen
Reichssender wie etwa Radio Stuttgart sowie ein äußerst rigoroses Antragsverhalten der badischen
Gestapo-Zentrale in Karlsruhe, das die Anzahl der Verfahren steigen ließ.

Das Sondergericht Freiburg

Hatte sich die Gestapo erst einmal für die Stellung eines Strafantrags gemäß § 5 der Rundfunkverordnung
entschieden, oblag die Ahndung von „Rundfunkverbrechen" den NS-Sonder-
gerichten, im Falle Südbadens dem Sondergericht Freiburg. Sondergerichte waren bereits im
Frühjahr 1933 reichsweit in allen Oberlandesgerichtsbezirken installiert worden, weil das Regime
nicht gewillt war, die justizielle Ahndung von Oppositionshandlungen der ordentlichen
Gerichtsbarkeit zu überlassen. Die NS-Sondergerichtsbarkeit beinhaltete letztlich das Ende
jeglicher rechtsstaatlichen Verfahrensweise und ging einher mit dem Aufbau einer Sonderjustiz
, bei der die Rechte der Beschuldigten stark beschnitten wurden und die Strafprozessordnung
nur eingeschränkt galt. Revisionsmöglichkeiten gab es keine, das Urteil war sofort
rechtskräftig und vollstreckbar.

58 Schnellbrief Heydrichs zur Rundfunkverordnung an Gestapa und Stapoleitstellen vom 7.9.1939; vgl. BArch, R
58/626, Bl. 2 f.

59 Berichts-Vorlage an die NSDAP-Reichspropagandaleitung vom 11.6.1941; BArch, NS 18/315, Bl. 115.

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