Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 153
(PDF, 49 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0153
schrift. Zuständig für die Bearbeitung sämtlicher Sondergerichtssachen, also nicht nur der
„Rundfunkverbrechen", war im Freiburger Sondergerichtsbezirk während fast der gesamten
Kriegszeit Helmut Müller, der zunächst als Gerichtsassessor und später als Staatsanwalt unter
dem Stempel „Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Freiburg" als sondergerichtlicher
Anklagevertreter fungierte. In einer Aktennotiz aus der Nachkriegszeit wurde er mit dem Begriff
„Sondermüller" belegt.66 Lag die Anklageschrift dem Sondergericht vor, dann betrug die
Frist bis zum Prozess für gewöhnlich zwei Wochen, ein Zeitraum der eine angemessene Verteidigung
de facto unterband. Die Verhandlung selbst dauerte durchschnittlich etwas mehr als
zwei Stunden. Aber in einigen Fällen wurde regelrecht „kurzer Prozess" gemacht: So benötigte
das Sondergericht gerade 15 Minuten, um gegen eine 20-jährige Freiburger Hausgehilfin eine
zehnmonatige Gefängnisstrafe wegen Abhörens zu verhängen.67 Getagt wurde nicht nur im
Freiburger Landgerichtsgebäude am heutigen Holzmarktplatz in den Sälen 240 und 246. Vielfach
fanden die Sondergerichtsprozesse auch vor Ort statt, so z.B. in Offenburg, Villingen,
Donaueschingen, Lörrach, Waldshut, Konstanz und Singen, wo zumeist in den Land- bzw.
Amtsgerichtsgebäuden verhandelt wurde. Aber auch in der Schwarzwaldgemeinde Schönau
und sogar im Rathaus von Laufenburg wurden Rundfunkverfahren abgehalten.

Auch der Abschreckungsgedanke bedurfte der Betonung.
Die Strafmaße bei „Rundfunkverbrechen"

Für die Höhe der durch das Sondergericht verhängten Strafe war von ausschlaggebender Bedeutung
, ob es sich bei der Zuwiderhandlung gegen die Rundfunkverordnung um bloßes Abhören
(§ 1) oder gar um die Weiterverbreitung (§ 2) des Gehörten handelte. In beiden Fällen
blieb jedoch der abgehörte Inhalt nicht unberücksichtigt. Zwar war das Hörverbot in erster
Linie gegen ausländische Nachrichtensendungen gerichtet, aber selbst das Anhören von Musikdarbietungen
wurde geahndet. So verurteilte das Sondergericht Freiburg eine 41-jährige
Ehefrau zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten, obgleich es in der Urteilsbegründung
heißt, der Fall wurde als ein leichter betrachtet, weil glaubhaft ist, daß die Angeklagte nur
Musik hören wollte und hörte.68 In einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem eine 61-jährige
Witwe von einer Nachbarin denunziert worden war, nahm das Sondergericht Freiburg einen
besonders leichten Fall an, da das Abhören bereits vor drei Jahren erfolgt war:

Da die Tat schon lange zurückliegt, die Bestrafungen damals noch nicht so streng waren,
die Angeklagte noch nicht vorbestraft und leidend ist, und die Kenntnis von der Strafbarkeit
des Abhörens des Senders Beromünster noch nicht so allgemein verbreitet war,
wurde ein besonders leichter Fall angenommen und nur auf eine Gefängnisstrafe von
4 Monaten erkannt.69

An dem genannten Beispiel wird deutlich, welch beträchtlichen Ermessensspielraum die
Sondergerichte im Ausschöpfen des Strafrahmens hatten, wenn sie ihn denn nutzen wollten.
Das Beispiel stellt jedoch eine Ausnahme dar. Im Allgemeinen hielt sich das Sondergericht
Freiburg an den vorgegebenen Strafrahmen, der für „leichtere Fälle" des Abhörens Gefängnisstrafen
von einem Jahr vorsah. Der Strafrahmen wurde auch in Fällen der Weiterverbreitung
von Nachrichten eingehalten, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus zu

66 Vgl. das Verfahren StAF, So KLs 67/42. Helmut Müller, der 1946 unter vier Jahren Zulagensperrung und Versetzung
auf das Anfangsgehalt zurückgestuft worden war, ist ab 1950 zunächst als Staatsanwalt a. D., dann als
Rechtsanwalt in Freiburg anzutreffen; vgl. das Amtsblatt der Landesverwaltung Baden (Französische Besatzung
), 1946, S. 125 und die Einwohnerbücher der Stadt Freiburg.

« Vgl. das Verfahren StAF, A47/1-1471.

68 Urteil vom 16.1.1942; StAF, A47/1-511-514.

<"> Urteil vom 23.11.1943; StAF, A47/1-1679.

153


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0153