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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 158
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breiten deutschfeindlicher Nachrichten sei berücksichtigt worden, daß die zur Aburteilung stehenden
Straftaten Ausfluß einer feindlichen Einstellung gegenüber dem nationalsozialistischen
Staat sind.19 Zuvor waren die Akten bereits dem Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof vorgelegt
worden. Dass Angeklagte, bei denen eine ablehnende Haltung gegenüber dem Regime
festgestellt oder nur vermutet wurde, generell höhere Strafen zu vergegenwärtigen hatten, belegen
ebenfalls Untersuchungen von Rundfunkverfahren anderer Sondergerichte.80

Höhere Strafen hatten Angeklagte auch zu erwarten, wenn das verbotene Abhören mit Äußerungsdelikten
einherging, was in etwa einem Fünftel der Freiburger Rundfunkverfahren der
Fall war. Hierzu zählten vor allem so genannte „Heimtücke-Reden", also regimekritische Bemerkungen
die nach dem „Heimtücke"-Gesetz zu ahnden waren oder auch „Wehrkraftzerset-
zungs"-Äußerungen, die nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung verfolgt werden sollten.
Wobei letzteres Delikt, wie bereits ausgeführt, Anfang 1943 nach Stalingrad generell in die
Zuständigkeit des Volksgerichtshofes fiel. Während Vergehen gegen das „Heimtücke"-Gesetz
üblicherweise nicht so schwerwiegend bewertet wurden wie „Wehrkraftzersetzung" und zu zusätzlich
verhängten Strafen von einigen Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis führten, wurden
Verstöße gegen die Kriegssonderstrafrechtsverordnung weitaus härter sanktioniert. Lag
das Strafmaß beispielsweise bei Weiterverbreitungstatbeständen bei etwas über eineinhalb Jahren
Zuchthaus, so wurde in den sechs nachweisbaren Fällen, in denen „Wehrkraftzersetzung"
mit abgeurteilt wurde, mit einem durchschnittlichen Gesamtstrafmaß von nahezu zweieinhalb
Jahren Zuchthaus eine um rund ein Jahr höhere Zuchthausstrafe verhängt. Das höchste Strafmaß
insgesamt, das das Sondergericht Freiburg in einem Rundfunkverfahren verhängte, betrug
dreieinhalb Jahre Zuchthaus. Eine Todesstrafe wegen „Rundfunkverbrechen" ist beim Sondergericht
Freiburg nicht nachweisbar und wurde wohl auch nicht verhängt. Während bei kriminellen
Straftaten reihenweise Todesurteile ausgesprochen wurden, so auch beim Sondergericht
Freiburg,81 zögerten die Richter der Sondergerichte mit der Verhängung des Höchstmaßes
bei politischen Delikten.82 Das galt grundsätzlich auch bei „Rundfunkverbrechen", wo für das
Weiterverbreiten von Nachrichten in „schweren Fällen" nach § 2 zwar die Todesstrafe angedroht
war, sich aber offenbar selbst die Staatsanwälte an den Sondergerichten damit zurückhielten
, gegen „Rundfunkverbrecher" Anträge auf die Höchststrafe zu stellen. Dies überließ
man lieber dem Volksgerichtshof, der bekanntermaßen wenig Skrupel bei der Verhängung politisch
motivierter Todesurteile besaß. So führte der Vizepräsident des Volksgerichtshofs, Wilhelm
Crohne, anlässlich eines Verfahrens in Bielefeld aus, dass Abhörer, deren Staatstreue
zweifelhaft sei sowie staatsfeindliche Hörer, die nur dem Feinde glauben und seine Berichte
weiterverbreiten, Zuchthaus- und Todesstrafen zu erwarten hätten. Für notorische Staatsfeinde
, die Feindsender abhörten, um Richtlinien für ihre Wühlarbeit entgegenzunehmen, gäbe
es nur eine Strafe: die Todesstrafe.83

79 Urteil vom 8.5.1942; vgl. StAF, A 47/1-687-689.

80 So die Untersuchung zum Sondergericht Hannover, vgl. Wolf-Dieter Mechler: Kriegsalltag an der „Heimatfront
". Das Sondergericht Hannover im Einsatz gegen „Rundfunkverbrecher", „Schwarzschlachter", „Volksschädlinge
" und andere „Straftäter" 1939 bis 1945. Hannover 1997, S. 99 f.

81 Vgl. hierzu Michael P. Hensle: Die Todesurteile des Sondergerichts Freiburg 1940-1945. Eine Untersuchung
unter dem Gesichtspunkt von Verfolgung und Widerstand. München 1996.

82 So führt beispielsweise Herbert Schmidt: „Beabsichtige ich die Todesstrafe zu beantragen." Die nationalsozialistische
Sondergerichtsbarkeit im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf. Essen 1998, S. 93 aus, dass „nicht
in einem einzigen Fall wegen einer politischen Tat oder einer Tat mit politischem Hintergrund eine Todesstrafe
vom Sondergericht Düsseldorf ausgesprochen worden [ist]".

83 Crohne in den Westfälischen Neuesten Nachrichten vom 5./6.8.1944, zitiert nach Hans-Eckhard Niermann:
Die Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Dritten Reich. Ihre Entwicklung aufgezeigt am Beispiel
des OLG-Bezirks Hamm (Strafjustiz im Dritten Reich. Hg. vom Justizministerium des Landes Nordrhein-
Westfalen, Bd. 3). Düsseldorf 1995, S. 317. Tags zuvor hatte Crohne vier von fünf Angeklagten in Bielefeld zum
Tode verurteilt.

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