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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 161
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Staatspolizeistellen gegenüber generell die Notwendigkeit der „Verhängung von Schutzhaft
gegen zur Entlassung kommende Strafgefangene" betont:

Die strafrechtliche Erledigung einer politischen Straftat bedeutet daher durchaus nicht,
daß nunmehr Maßnahmen der politischen Polizei nicht mehr erforderlich seien. Es ist
vielmehr nach wie vor darauf zu achten, daß auch strafrechtlich abgeurteilte Personen
nicht mehr die Möglichkeit haben, ihr politisches Treiben gegen den nationalsozialistischen
Staat erneut aufzunehmen.92

Ebenfalls seit dem Jahre 1935 bestand in Baden und somit auch für den Bereich des Sondergerichts
Freiburg ein Übereinkommen zwischen Justiz und Gestapo bezüglich der Herausgabe
von Daten der zur Entlassung kommenden Justizgefangenen. In einem Bericht der Karlsruher
Gestapo an die Zentrale in Berlin aus dem Jahre 1936 über die „Entlassung von politischen
Gefangenen und Überführung in Schutzhaft" heißt es, es bestünde eine an die
Strafanstalten gerichtete Anordnung des Generalstaatsanwalts, wonach diese jeweils 1 Monat
vor Entlassung politischer Strafgefangener über deren Führung zwecks Prüfung der Inschutz-
haftnahme vorher zu berichten haben.93 Diese routinemäßigen Abgangsmeldungen aus dem
Strafvollzug ermöglichten der Gestapo eine wirkungsvolle Kontrolle und Verfolgung abgeurteilter
Delinquenten über die Strafvollstreckung hinaus.

In manchen Fällen war trotz Abgabe der Beschuldigten an die Justiz zur gerichtlichen Aburteilung
von vornherein die nachfolgende Überstellung in ein Konzentrationslager vorgesehen
. So kündigte die Gestapo bezüglich Hörern einer Abhörgemeinschaft aus dem katholischen
Milieu der Staatsanwaltschaft gegenüber an, dass sie beabsichtige, gegen die Strafgefangenen
gegebenenfalls staatspolizeiliche Maßnahmen nach Verbüßung der Strafhaft bzw. im
Falle der Aufhebung des Haftbefehls zu ergreifen.9* Die Gestapo machte ihre Ankündigung
wahr, nach der Strafverbüßung wurde der Verurteilte, ein Freiburger AOK-Inspektor, der dem
politischen Katholizismus zugerechnet wurde, in „Schutzhaft" genommen. Die letzte Meldung
über ihn stammte vom 28. Januar 1945 aus Dachau, es war die Todesmeldung. Zuvor hatte der
Freiburger Oberstaatsanwalt noch vermerkt, da der Strafgefangene nach der Strafverbüßung in
ein Konzentrationslager eingewiesen werden solle, käme im Hinblick hierauf eine bedingte
Strafaussetzung bei ihm nicht in Betracht. Die mit verurteilte Ehefrau wurde gleichfalls in ein
Konzentrationslager verbracht, das sie im Gegensatz zu ihrem Ehemann überlebte. Einer weiteren
Mitbeschuldigten gelang es nur durch das Engagement des Oberstaatsanwalts Weiß95,
der ebenfalls vorgesehenen Einweisung in ein Konzentrationslager zu entgehen, während den
vierten Verurteilten wohl nur seine schwere Lungenerkrankung vor diesem Schicksal bewahrte
.

Ein weiterer vom Sondergericht Freiburg wegen „Rundfunkverbrechen" zu drei Jahren
Zuchthaus Verurteilter wurde ebenfalls nach der Strafverbüßung in ein Konzentrationslager
überstellt.96 Zunächst hatte die Stapo-Leitstelle Karlsruhe gegen die Erlassung der Reststrafe
von 2 Monaten im Gnadenwege keine Einwände. Doch als der Leiter des Zuchthauses Bruch-

92 Preußische Geheime Staatspolizei, stellv. Chef und Inspekteur, i. V. gez. Heydrich; Abschrift des Schreibens vom
15.7.1935, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, RW 18/38, Bl. 29.

93 Schreiben Gestapo/Polizeipräsidium in Karlsruhe an Gestapa Berlin vom 28.7.1936; BArch, R 58/2271.

94 Vgl. auch nachfolgend das Verfahren StAF, A47/1-1571-1580.

95 Inwieweit sich der Freiburger Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Eugen Weiß, Dienstalter 11.5.1932 (vgl. Handbuch
der Justizverwaltung. Berlin 1942, S. 134), auch anderweitig einsetzte, bedürfte zusätzlicher Untersuchung. Er
hatte wohl Verbindung zu dem Kripo-Beamten Eugen Selber. Über Selber, der 1937 „in die Gestapo übergeleitet
" wurde, heißt es, der „gläubige Katholik" stünde mit dem Leiter der Freiburger Staatsanwaltschaft in Kontakt
, „um politisch und rassisch Verfolgten zu helfen"; vgl. Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 3.
Von der badischen Herrschaft bis zur Gegenwart. Hg. von Heiko Haumann und Hans Schadek. Stuttgart 1992,
S. 344.

96 Vgl. das Verfahren StAF, A47/1-563-566.

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