Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 165
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Friedliches Schulleben in der Kaiserzeit

War das Schulleben anders als heute, die Schüler lernwilliger, die Lehrer weniger angestrengt?
Das Wort „Stress" kannten sie jedenfalls nicht, wurde doch Englisch nur fakultativ unterrichtet
. Noch 1927 scheiterte die Einführung von Englisch als Pflichtfach. Wollte ,Mann' allerdings
Seeoffizier oder Marine-Zahlmeister werden, sollte er diese Sprache beherrschen. ,Frau'
gab es im Abitur von 1911 übrigens nur eine. Sie hätte sich immerhin schon an der Freiburger
Universität immatrikulieren dürfen (seit 1900). Die militärischen Berufe waren nicht so begehrt
, wie man annehmen könnte: Nur sechs Abiturienten waren vor dem Ersten Weltkrieg davon
angetan, während sich 22 für den Arztberuf interessierten. Dass 40 junge Männer katholische
Theologie studieren wollten, hing schlicht mit den vielen Schülern aus dem Konvikt zusammen
. Für sie wird sich wohl die Katholische Kirche am durchaus nicht geringen Schulgeld
beteiligt haben: 108 Mark waren jährlich an den Staat zu bezahlen, das Doppelte des von den
städtischen Schulen verlangten Betrags. Außerdem mussten die Lehrbücher selbst angeschafft
werden, was durchaus seine Vorzüge für die Kontinuität des Lehrens hatte. Während des
Kaiserreichs kamen zwei Beamte des Großherzoglichen Domänenamtes und zogen das Schulgeld
ein, Goldstücke, welche die Schüler mitgebracht hatten.2 Trotz der nicht unbeträchtlichen
Kosten schickte die Hälfte der höheren Lehrer ihre Kinder auf das FG. Dabei verdiente ein junger
Professor wie Dr. Lengle - er wurde später Direktor am BG - lediglich 2.000 Mark zuzüglich
Wohngeld, ein älterer Professor etwa 5.000 Mark im Jahr. Je nach Alter hatten sie dafür
18 bis 22 Stunden wöchentlich zu unterrichten (heute 24 Stunden). Trotzdem erreichte zwischen
1900 und 1910 nicht einmal die Hälfte den Ruhestand mit 65 Jahren: 61 starben vorher,
55 konnten ihn antreten. Dies lag nicht an den Schülern, sondern an der damals weit niedrigeren
Lebenserwartung (heute 75,1 Jahre bei Männern). Nur selten wagten die Schüler, es am
nötigen Respekt fehlen zu lassen. Bei allzu schlechtem Benehmen während des Unterrichts
-Trampeln mit den Füßen, Klopfen mit den Händen usw. - wurde hart durchgegriffen, denn
schließlich sollten die Schüler u. a. an Ordnung, Anstand und Sitte, Ehrfurcht vor Gott und den
Heiligen gewöhnt werden. Neun Schüler der Untersekunda hatten daher 1906 zwischen sechs
und zwölf Stunden Karzer erhalten. Eine empfindliche Strafe, hatten sie doch ohnehin - ähnlich
wie heute - 30 bis 32 Wochenstunden in der Schule zu sitzen. Da in den Familien um 12
Uhr zu Mittag gegessen wurde, mussten die Schüler auch nachmittags unterwiesen werden.
Erst nach 1918 wurde am FG bis 12.50 Uhr Unterricht erteilt.

Wie es bei einem humanistischen Gymnasium zu erwarten ist, lag der Schwerpunkt auf den
alten Sprachen: Latein mit acht Wochenstunden, Mathematik mit vier, die naturwissenschaftlichen
Fächer mit mageren zwei Stunden: bis Untersekunda Biologie („Naturgeschichte"),
dann Physik mit etwas Chemie und Mineralogie. In der Unterstufe auch „Schönschreiben", in
der Oberstufe zusätzlich Psychologie und Logik, ein Überbleibsel aus der badischen Reform
von 1836.

Rückblickend wirkt es wie Wetterleuchten, dass im Juli 1913 das FG die Mitteilung erhielt,
das Ministerium werde im Falle eines Krieges das Gebäude dem Roten Kreuz als Lazarett
überlassen. In aller Stille wurden die dafür notwendigen Umbauten vorgenommen, Bäder, eine
Küche und ein Operationssaal eingerichtet. Ein Jahr später, am 1. August 1914, brach der
Erste Weltkrieg aus. Fünf Tage danach wurde bereits der Operationssaal benötigt. Nach nur
zehn Jahren in dem roten Sandsteingebäude am Aschoff-Platz wurde die Schule mit ihren 253
Schülern in den Nordflügel der Universität verlegt, von Januar bis Ostern 1918 zog sie schließlich
ins BG, das sich damals noch gegenüber dem Theater befand.3 Schon in den ersten Kriegs-

2 Müller (wie Anm. 1), S. 66.

3 Max Breithaupt: Kurze Geschichte des Freiburger Humanistischen Gymnasiums. In: Das Freiburger Berthold-
Gymnasium 1958. Festschrift zur Einweihung des Neubaues an der Hirzbergstraße 1958, Hg. von der Vereinigung
ehemaliger Schüler des Berthold-Gymnasiums. Freiburg 1958, S. 24-35, hier S. 29.

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