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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 200
(PDF, 49 MB)
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neswegs eine homogene Gruppe. Ein ehemaliger AStA-Vorsitzender versuchte mit einem eigenen
Lautsprecherwagen, die Demonstranten zur Mäßigung zu bewegen. Er rief dazu auf, die
Blockaden zu beenden um sich zu Diskussionen zurückzuziehen, hatte damit aber keinen Erfolg
.36 Ein Stadtrat bemühte sich am Bertoldsbrunnen mit den Demonstranten ins Gespräch zu
kommen. Die aber bestanden darauf, mit dem Oberbürgermeister persönlich und zwar am Bertoldsbrunnen
zu verhandeln. Oberbürgermeister Eugen Keidel stellte sich den Demonstranten,
allerdings nur auf dem Rathausplatz. Erst nach 5 Vi Stunden wurde die Demonstration beendet,
nachdem bekannt wurde, dass der Oberbürgermeister zugesagt hatte, die Fahrpreiserhöhungen
erneut zu prüfen und erst im April in Kraft treten zu lassen.37

Die erste Fahrpreisdemonstration war somit erfolgreich. Die Tariferhöhungen sollten überprüft
werden, der Gemeinderat würde sich gleich in der nächsten Sitzung erneut mit dem
Thema befassen, der Oberbürgermeister und andere Lokalpolitiker hatten mit den Demonstranten
auf der Straße diskutiert. Um diesem Erfolg Nachdruck zu verleihen, vor allem aber
um erneut zu bekräftigen, dass gar keine Erhöhungen geduldet würden, wurde zur Demonstration
auch am folgenden Tag aufgerufen. Der Charakter als SOZIALE EINRICHTUNG muß
gewahrt bleiben. Oberbürgermeister Keidel sicherte gestern zu, sich für einen Aufschub bis
zum 15. April einzusetzen. Dieses Versprechen genügt uns nicht: Wir fordern nicht einen Aufschub
der Preiserhöhung, sondern daß die Preise überhaupt nicht erhöht werden, und für sozial
besonders schwache Gruppen gesenkt werden ... Bis das geschehen ist, demonstrieren wir
weiter!!3^ In diesem Sinne wurde auch am 2. Februar die Kreuzung am Bertoldsbrunnen
blockiert. Die Forderungen wurden selbstbewusst erhoben, waren ihrem Inhalt nach aber recht
zahm. Vor allem sollte die Anerkennung als gleichwertiger Gesprächspartner gegenüber den
lokalen Autoritäten durchgesetzt werden. Die prinzipielle Legitimität des Stadtrats als parlamentarische
Institution und die Autorität des Oberbürgermeisters wurden nicht in Frage gestellt
, sondern explizit angesprochen. Dennoch war es unerhört und skandalös, dass junge
Menschen - Minderjährige! - es wagten, gezielt Regelverletzungen zu begehen, indem sie einfach
den zentralen Verkehrsknoten blockierten. Dieser kollektive zivile Ungehorsam war das
eigentlich Neue an den Demonstrationen und markiert im Unterschied zu früheren Freiburger
Protesten einen Bruch und damit den Beginn der örtlichen 68er-Bewegung.

Der Gemeinderat befasste sich am Dienstag, den 6. Februar, tatsächlich nochmals mit der
Fahrpreisgestaltung. Das Gremium blieb jedoch dabei, die Fahrpreise wie beschlossen zu erhöhen
, ohne erneut darüber abzustimmen. Während der Debatte demonstrierten Schüler und
Studenten auf dem Rathausplatz. Sie waren besonders erbost darüber, dass sie die Sitzung des
Gemeinderats nicht verfolgen konnten. Die Stadträte hatten es entgegen einzelner Zusagen abgelehnt
, die Debatte per Lautsprecher auf den Rathausplatz zu übertragen. Die Demonstranten
waren als souveräne Diskussionspartner übergangen worden. Ihre Argumente wurden nicht in
die Debatte einbezogen. Lapidar erklärte OB Keidel zum Abschluss der Debatte nochmals, daß
keine neuen Sachargumente vorliegen, die eine erneute Beschlußfassung notwendig machen.39
Die Aktionsgemeinschaft Freiburger Schüler verfasste daraufhin ein wütendes Flugblatt:

Letzten Freitag wurde uns versprochen:

1. Der Stadtrat würde in seiner Sitzung am Dienstag als ersten Tagesordnungspunkt unsere Forderungen
beraten.

DIESES VERSPRECHEN WURDE GEBROCHEN!

Der Stadtrat hat weder unsere berechtigten Forderungen beraten, noch über sie abgestimmt...

2. Die Debatte sollte über Lautsprecher auf den Rathausplatz übertragen werden.
AUCH DIESES VERSPRECHEN WURDE GEBROCHEN!

36 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 8994.

37 Ebd.

38 StadtAF, M 31/3a; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9204.

39 StadtAF, B5 XHIa Nr. 646 (6.2.1968); Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9213.

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