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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 202
(PDF, 49 MB)
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Straße zu räumen. Mit verschiedenen Greiftrupps sollen die Rädelsführer aus der Menge herausgezogen
und im bereitstehenden Gefangenentransportwagen abtransportiert werden.41.
Diesem Konzept wurde weitgehend gefolgt. Der Erfolg trat jedoch trotz des erstmaligen Einsatzes
von Wasserwerfern nicht wie geplant ein. Die Straßen der Innenstadt konnten für den
fließenden Verkehr nicht freigehalten werden. In Gruppen von einigen Hundert bewegten sich
die Demonstranten zwischen den Kreuzungen Bertoldsbrunnen, Siegesdenkmal und Stadttheater
. Die Straßen wurden blockiert, bei Anrücken der Polizei wurde die Blockade langsam
aufgegeben und an anderer Stelle fortgesetzt.44

Während draußen der Straßenkampf tobte, versuchte der Studentenrat im Theatersaal der
Alten Universität eine ordentliche Sitzung abzuhalten - von vormittags 11.05 Uhr bis nachts
um 3:30 Uhr des folgenden Tages. Mehrfach wurde die Sitzung unterbrochen, um mit der
Staatsanwaltschaft über die Freilassung der inhaftierten Studenten ...zu verhandeln, oder um
Polizeirat Meyer [sie!] Gelegenheit zu geben, mit den anwesenden Studenten über die Demonstration
am Mittwoch-Nachmittag zu diskutieren.45Albert Maier, seinerzeit Einsatzleiter
bei den Fahrpreisdemonstrationen, war aufgrund einer Schreckensnachricht in die Alte Universität
geeilt. Im Polizeibericht heißt es dazu: Gegen 01.30 Uhr erfuhren wir, daß dabei von
300 bis 400 Studenten beschlossen worden sein soll, noch in der Nacht die Haftanstalt am
Holzmarktplatz zu ,stürmen', wo noch festgenommene Demonstranten einsaßen.46 Als Polizeirat
Maier in die Versammlung platzte, fand gerade eine ordentliche Abstimmung über den
neuen AStA-Vorsitz statt. Über eine Demonstration zum Untersuchungsgefängnis war zuvor
in Geschäftsordnungsdebatten verhandelt worden. Gegen 03.50 Uhr standen etwa 50 Versammlungsteilnehmer
am Holzmarktplatz. Außer von einigen Ansätzen zu Sprech-Chören fanden
keine Ordnungsstörungen statt, ...41 Zeitungen berichteten über diese Nacht anderes. So
schrieb die Bild-Zeitung: Rund 100 Demonstranten versuchten, das Amtsgericht zu stürmen.4*
Die Stürmung des Gefängnisses wurde - nicht nur in überzogenen Zeitungsmeldungen -
tatsächlich für möglich gehalten, während die Studenten zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernsthaft
an eine militante Herausforderung des Staates dachten. Dennoch wirft diese Episode ein
Schlaglicht darauf, was der revoltierenden Jugend zugetraut wurde: Alles!

Der verschärfte Polizeieinsatz am Vortag wurde als politische Antwort auf die Demonstrationen
und die erhobenen Forderungen begriffen. Daraus entwickelte sich eine Dynamik der
Eskalation. Die Demonstranten werden bewusst als Ruhestörer und Krawallmacher hingestellt
. Durch Einsatz von Wasserwerfern und Polizeiketten tut man so, als ob die Demonstranten
im Unrecht seien. ,Rädelsführer' wurden ... verhaftet und über Nacht im Gefängnis festgehalten
... Aber es gibt keine Rädelsführer: Die Demonstration ging ohne sie weiter, sie wurde
sogar grösser. Verhaftet wird zum Beispiel, wer ins Megaphon spricht oder Flugblätter verteilt
. So versucht man, das politische Anliegen der Demonstration zu zerstören. Die Polizei darf
reden, die Demonstranten nicht.49 Weder durch Festnahmen einzelner, noch durch Räumungseinsätze
der Polizei, ließen sich die Blockaden wirkungsvoll unterbinden. Sie blieben
durch die flexiblen Demonstrationskonzepte, hinter der keine straffe Organisation und kein
Anführer stand, ungreifbar für „den" Staat. Die Landespolizeidirektion (LPD) sah sich in dieser
Situation genötigt, in die Freiburger Vorgänge einzugreifen. Die Entscheidung, auf polizeiliche
Eskalation anstatt auf politische Lösungen zu setzen, wirkt dabei unbeholfen. Es sollte
sich nicht wiederholen, dass eine verbotene Demonstration stundenlang den Verkehr blockiert.

43 Ebd.

44 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9126.

45 ASBF, 5.2.0.II; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 10499.

46 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9126.

47 Ebd.

4« StadtAF, C5/5373; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 11296
4? ASBF, 5.3.4.1.1; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 1694.

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