Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 204
(PDF, 49 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0204
nen zwischen der Polizeidirektion Freiburg und der Landespolizeidirektion ausgetragen
wurde, belegen jedoch massive Differenzen der beiden Behörden. Der damalige Leiter der
Freiburger Polizei schrieb an die LPD: Ich hatte während der Besprechung [für den Einsatz
am Donnerstag, den 8.2.1968; L.M.] mit dem Gedanken gespielt, gegen die Gesamtkonzeption
der Weisung ... Einspruch zu erheben, da sie meiner taktischen und psychologischen Auffassung
über den Polizeieinsatz bei Demonstrationen vom Grundsätzlichen her zuwiderlief.53

Auch der frisch eingesetzte auswärtige Einsatzleiter hatte am sechsten Blockadetag, Freitag
, den 9.2.1968, keinen Erfolg, obwohl er es mit allen polizeilichen Mitteln versuchte. Durch
den Einsatz und die wilde Entschlossenheit, die Straße notfalls frei zu prügeln, verlief der
Nachmittag im Chaos. Demonstranten blockieren mit erbeuteten Absperrgittern die Fahrbahn,
anstatt dahinter zu bleiben.54 Zwar konnten vereinzelt Busse und private Personenwagen über
die umkämpfte Kreuzung am Bertoldsbrunnen geschleust werden, der Preis dafür war aber
recht hoch. Wasserwerfer beschädigten Geschäfte in der Innenstadt, zahlreiche unbeteiligte
Bürger gerieten in die Auseinandersetzungen und wurden Opfer von Polizeigewalt und -Willkür
. Einige Eishockey-Interessierte, die vor dem Schaufenster eines Radio- und Fernsehgerätegeschäfts
ein Spiel ansahen, wurden Ziel eines Wasserwerfers. Ohne demonstriert zu haben,
fanden sie sich plötzlich auf einer Seite in der Auseinandersetzung wieder.55 Die Eskalation
der Auseinandersetzungen führte so auch zur Polarisierung zwischen dem Staat und zunächst
unbeteiligten Bürgern. Einer der unfreiwillig in die Auseinandersetzungen Verwickelten erstellte
ein Gedächtnisprotokoll zu den Vorfällen: Ich stand am Freitag, den 10.2.68 in der Passage
Radio Lauber, um mir ein Eishockeyspiel anzusehen. 15h05 kam ein Wasserwerfer (GP
3180) die Bertoldstr. Richtung Theater, hielt vor der Passage und spritzte voll in die Passage
auf die Fernsehzuschauer und wiederholte diese Aktion auf der Rückfahrt.56

Die selbstbewussten Eishockeyfreunde beschlossen spontan, sich juristisch gegen diesen
Vorfall zu wehren und begaben sich auf eine Behörden-Odyssee. Von ihrer 1. Anlaufstelle, dem
Polizeirevier I (heute Revier Nord) in der Bertoldstraße, wurden sie zur Staatsanwaltschaft geschickt
. Dort wurden wir ... mit Hausfriedensbruch bedroht, wenn wir die Staatsanwaltschaft
nicht sofort verließen ... Bei der Kriminalpolizei wurden wir - bevor wir eine Aussage machen
konnten - sehr diskriminierend empfangen und beschimpft und mit Rausschmiß bedroht, mit
der Begründung:, Wir sind stark genug.' Ein - offensichtlich höherer - Beamter gab erst nach,
als er nach seinem Namen gefragt wurde, und wir uns über ihn bei seinem Vorgesetzten beschweren
wollten. Wir wurden dann auf fünf Beamte verteilt, die unsere Personalien aufnahmen
und unsere Aussage anhörten, ohne sie zu notieren. Daraufhin erklärten sie sich für nicht
zuständig. Anschließend bedrohten sie uns mit einer Anzeige wegen Teilnahme an einer unerlaubten
Demonstration.51 Was als eine Art Freiburger Familienstreit zwischen „der Jugend"
und „den Stadtvätern" begann, hatte sich innerhalb einer Woche zur offenen Konfrontation
zwischen Staatsgewalt und Bürgern ausgewachsen.

Die Reaktionen nach den Protesten

Für Freitagabend, den 9. Februar, hatte die Aktionsgemeinschaft Demokratischer Schüler und
Studenten zu einem Hearing unter dem Motto ARGUMENTE statt BLOCKIERUNG des Verkehrs
ins Haus der Jugend geladen. Schüler und Studenten sollten dort mit Bürgermeistern und
Stadträten diskutieren.58 Die Veranstaltung wurde bereits angekündigt, als die Auseinander-

53 ASBF, 5.3.4.1.V; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9184.

54 StadtAF, C5/5372; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 8991.

55 Vgl. StadtAF, C5/5372; ASBF, 5.3.4.1.III; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 8991, 9091, 2147.

56 ASBF, 5.3.4.1.III; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 2147.

57 Ebd.

58 StadtAF, M 31/3a, 1968-1970; Müller (wie Anm. 1), Dok.-Nr. 9197.

204


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0204