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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 66
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0066
digten:128 Zum einen die, die das direkt durch Beschimpfungen oder Handgreiflichkeiten taten,
zum anderen solche, die die Autorität des Rates unterliefen und herausforderten, indem sie sich
nicht an die vom Rat gesetzten und von Zasius ab 1494 gesammelten Ordnungen hielten, wie
etwa Diebe, Ehebrecher, Gotteslästerer usw.129 Der Frei burger Rat versuchte, verstärkt auf das
Verhalten seiner Mitbürger Einfluss zu nehmen. Ähnliches geschah jedoch auch in anderen
spätmittelalterlichen Städten. Vermutlich ist diese Vorgehens weise nicht nur eine Reaktion der
Räte auf krisenhafte Momente, sondern ebenso den sich fortentwickelnden Verwaltungstechniken
und einem sich allmählich wandelnden Selbstverständnis der Räte geschuldet.130

Das Aufschreiben der Personen, die sich etwas - vor allem gegen die städtische Obrigkeit

- hatten zuschulden kommen lassen, könnte eine Kontrollfunktion erfüllt haben, wie das etwa
der Fall des Vit Murer zeigt.131 In der Rats Erkanntnus heißt es zu dem mehrmals aufgefallenen
Murer, der u. a. den städtischen Torbeschließer geschlagen hatte, daraufhin gefangen genommenen
worden war, aber gnadenhalber wieder frei kam: hab diss alles vffgeschriben, vnnd
ob fürer mer von im zuclag kern, eins mit dem anndern, on alles nachlassen, straffen.132 Dass
das Aufschreiben seine Wirkung zeigte, musste Murer ein knappes halbes Jahr später erfahren.
Wiederum wird in der Rats Erkanntnus mitgeteilt, dass er, nachdem er vil böser hendel begangen
, wie drinn im vnzuchtbüch steht - inzwischen hatte er auch einen Zöllner geschlagen

- acht Meilen über den Rhein verbannt wurde, es sei denn er gebe zwei Mark Silber.133

Das Aufzeichnen von Fällen, die in irgendeiner Weise strafrechtlich relevant waren, wie das
im Urfehdbuch der Fall ist, und die zum Zeitpunkt der Anlegung des Urfehdbuchs, Mitte 1496,
schon vier Jahre oder länger zurücklagen, scheint die Kontrollfunktion des Urfehdbuchs zu bestätigen
. Das „Vormerken" dieser Delinquenten in einem obrigkeitlichen Verzeichnis stellt
auch eine Form der Umgehensweise mit delinquentem Verhalten dar. Denn bei Bedarf hatte
der Rat die Möglichkeit, die Vergehen der jeweiligen Person nachzuschlagen, um dann eins
mit dem anndern, on alles nachlassen, straffen zu können.

Was die städtische Obrigkeit unter Delinquenz verstand, soll hier anhand der Genese der
Vergichte beantwortet werden.134 Personen, die sich in irgendeiner Weise verdächtig machten
oder einer Tat beschuldigt wurden, sind verhaftet und in das Gefängnis, in der Regel in den
Martinsturm, gebracht worden. Danach sind sie gütlich - ohne die Anwendung der Folter -
befragt worden. Dabei wurden den Verhafteten die vorgeworfenen Taten im thurn fürgehal-

m Voraussetzung für den gmeinen nütz, der als anzustrebendes Ziel einer Ratsherrschaft galt, war die Herstellung
und Bewahrung von Eintracht, Friede und Recht. Dazu sollte auch die Anlegung des Urfehdbuch einen Beitrag
leisten, vgl. etwa Ulrich Meier/Klaus Schreiner: Regimen civitatis. Zum Spannungsverhältnis von Freiheit
und Ordnung in alteuropäischen Stadtgesellschaften. In: Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume
in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Bürgertum.
Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 7). Hg. von Ulrich Meier und Klaus Schreiner. Göttingen
1994, S. 17; Evamaria Engel: Die deutsche Stadt des Mittelalters. München 1993, S. 64.

™ Vgl. Anm. 83.

130 Vgl. etwa das Selbstverständnis des reichsstädtischen Ulmer Rats, der sich schon Mitte des 15. Jahrhunderts als
Oberkaitt verstand, mit der Aufgabe ir vnderthon vnd den gemeinen manne in aller erbarkeit vnd billichait zu
regieren, Präambel des Gesatzbuches der Stadt Ulm (um 1450), Stadtarchiv Ulm, IL, Gesatzbuch, fol. 1; zitiert
nach Isenmann (wie Anm. 108), S. 131. Ebenfalls für Ulm konnte Eberhard Naujoks belegen, dass die Kontrolle
der Stadtwirtschaft und der polizeilichen Gewalt in engem Zusammenhang steht mit dem systematischen
Ausbau eines „bürokratischen" Kontrollapparats, vgl. Eberhard Naujoks: Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung
und Reformation. Studien zur Verfassungsgeschichte von Ulm, Esslingen und Schwäb. Gmünd (Veröffentlichung
der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B Forschungen 3).
Stuttgart 1958, S. 28.

131 Vgl. Urfehdbuch, fol. 91r.

132 StadtAF, B5 XOIa Nr. 6, fol. 30v, Eintrag zu Vit Murer vom 12. Juni 1497.

•33 StadtAF, B5 XHIa Nr. 6, fol. 48v und 49r + v, Einträge zu Vit Murer vom 29. Nov. 1497 und 1. Dez. 1497. Im
Urfehdbuch, fol. 91r, wurde der Fall Murers allerdings erst im November 1498 aufgezeichnet, nachdem er wohl
noch einige Vergehen begangen hatte. Dies wirft die Frage auf, weshalb, wie es in der Rats Erkanntnus heißt,
der Fall nicht schon vorher verzeichnet wurde.

134 Vgl. ausführlicher Aumüller (wie Anm. 1), besonders Kapitel 4.1. und 4.2.

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