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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 67
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0067
ten.135 Zugleich „wusste" die städtische Obrigkeit schon vorher genau von den Taten und
wollte diese lediglich bestätigt haben.136 So heißt es in der Vergicht von Michel Dissel: als
durch mim Herren schultheissen dem Michel Dissers vorgelessen ist, wie dz er gereth soll haben
.ni Das besagt, dass das Gericht schon vor der Befragung eine Art Anklageschrift verfas-
ste, die dem Verdächtigen dann vorgelesen wurde.

Manche der Verdächtigen gestanden bereits in diesem Stadium die ihnen vorgeworfenen Taten
. Im Vergichtteil liest man daher immer wieder: hat vngemartert frygen willens verjehenm,
bekennt willicklich139 oder häufiger: hat an der marter diß nachgeschriben meynung ver-
jechen140, wobei hier an [= on] der marter ohne Folterung meint.141 Jedoch nicht alle gestanden
, was ihnen vorgeworfen wurde. Daher griff der Magistrat zu drastischeren Mitteln, um die
jeweilige Person gichtig, also geständig, zu machen. Den Ungeständigen wurde damit gedroht,
sie in den diebsturm zu bringen. Nur selten wird deutlich ausgesprochen, was hinter den unscheinbaren
, aber oft erscheinenden Worten zeerfaren und erkennen steckt. Bei Michel Dissel
heißt es: so verr er sunst nit bekantlich sin wölt, in diebsturn füren vnnd am seil erkennen.142
Jemanden mit dem Seil erkennen meint ihn zu foltern.143 Bei Dissel, und vermutlich bei vielen
anderen auch, genügte diese Drohung, um eine Vergicht zu erlangen. Er gestand an wethiin,
d.h. ohne dass die Folter zum Einsatz kam.144

Aber nicht nur Drohungen, sondern auch regelrechte Täuschungen wurden von der Obrigkeit
angewandt. Vom Rat wurde eine Frau namens Liechtenfels des Diebstahls verdächtigt und
zusammen mit ihrer Schwester inhaftiert. Die Schwester wurde, wie dem Ratsprotokoll zu entnehmen
ist, gedümlet vnd hart gemarttert.145 Trotz der Marterung mit Daumenschrauben gestand
sie nicht und wurde nach dem Schwur einer Urfehde freigelassen. Der immer noch ge-

135 Zum Beispiel StadtAF. AI Xle 1496 Okt. 22, Geständnis von Hans Hanser.

136 Die Obrigkeit wurde im Turm vertreten durch die Verhörenden, also die Heimlichen Räte, z.T. war auch der
Schultheiß anwesend. Wie aus der Malefizordnung ersichtlich wird, waren - zumindest bei den Vorverfahren zu
den Prozessen der Hochgerichtsbarkeit - auch noch zwei Ratsmitglieder beim Verhör zugegen, vgl. hierzu:
Aumüller (wie Anm. 1), Kapitel 3.2.3. Zudem war noch der das Geständnis protokollierende Stadt- oder Gerichtsschreiber
anwesend.

137 StadtAF, AI Xle 1496 Sept. 19. Wie die Aussage des Delinquenten deutlich macht, handelt es sich bei Disser
und Dissel um dieselbe Person. Bei dieser Anklageschrift könnte es sich auch um die schriftliche Anzeige handeln
, die an die Obrigkeit gelangte und dann dem Delinquenten verlesen wurde.

138 Urfehdbuch, fol.6v-7r.
^ Ebd., fol. 9r + v.

140 Ebd., fol. 8v, lOr + v, 13r und 35r (gestrichener Eintrag).

141 An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass alle Geständnisse, die die Basis für eine Verurteilung bildeten,
zumindest seit der Einführung der Carolina (CCC) 1532. freiwillig abgelegt werden sollten. In der Carolina
wurde daher bestimmt, dass während der Folter nicht verhört werden durfte (CCC Art. 58). Erst wenn der Delinquent
ein Zeichen gab, dass er eine Aussage machen wollte, wurde er von der Folter genommen und seine
Ausführungen wurden daraufhin protokolliert. Nach zwei, drei Tagen wurde dem Delinquenten seine Vergicht
verlesen, die er zu bestätigen hatte. Durch diese Anerkennung erhielt das Geständnis den Anschein der Freiwilligkeit
. Vollgültig wurde dieses durch den Bestätigungseid derjenigen Richter, die mit im Turm waren und
die Aussage mitgehört hatten (CCC Art. 91). Dieses in der Carolina dargelegte Verfahren scheint demjenigen in
unseren Quellen ähnlich gewesen zu sein. Zumindest was die eidliche Bestätigung betrifft. Das heißt schlussendlich
bekannten alle Personen „freiwillig", auch wenn sie vorher gemartert wurden. Da aber im Vergichtteil
eigens daraufhingewiesen wird, dass eine Person ohne gemartert zu werden geständig gewesen sei, während in
anderen Fällen nichts vermerkt wurde oder es ausdrücklich angeführt wird, ob sie sich einer Tortur unterziehen
musste, ist anzunehmen, dass an dieser Stelle freiwillig ohne Folter meint. Zur Funktion der Geständnisse vgl.
auch: Gerd Kleinheyer: Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren des späten Mittelalters und der frühen
Neuzeit. In: Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad. Hg. von Gerd Kleinheyer
u.a. Paderborn 1979, S. 367-384; Das Quälen des Körpers. Eine historische Anthropologie. Hg. von Peter Bur-
schel u.a. KölnAVeimarAVien 2000.

'« StadtAF, B5 XHIa Nr. 6, fol. 5r, Eintrag zu Michel Tissel [Dissel] vom 19. Sept. 1496.

143 Der Delinquent wurde an den Händen, die hinter dem Rücken zusammengebunden waren, mit einem Seil in die

Höhe gezogen. Eine Steigerung der Folter war das Anhängen von Gewichten an den Füßen.
'44 StadtAF, AI Xle 1496 Sept. 19.

'« StadtAF, B5 XHIa Nr. 7, fol. 124v, Eintrag vom 15. März 1499.

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