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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 132
(PDF, 48 MB)
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Und schon stehn hier vor unsern Blicken
Himmlisch seine edeln Früchte da!
Uns durchglühet Ehrfurcht und Entzücken,
Treten wir dem Heiligthume nah. -

Ach! Zu klein für solche große Gaben -
Doch im tiefen Innern froh bewusst.
Wie Bescheidenheit so hoch erhaben -
Schweigt das Lob - und Dank erfüllt die Brust.

Und die armen, hocherfreuten Brüder,
Die den Segen Eurer Saat empfah X
Fallen dankend auf die Kniee nieder,
Senden ihre Bitte himmelan:

„ Vater, giebt für jede dieser Stunden,
Sorgsam liebend unserm Glück geweiht,
Für den Schutz, den hülflos wir gefunden,
Daß dein Lohn sie tausendfach erfreut.

Bis wir uns dort oben wiederfinden,

Wo Vergeltung Ewigkeiten währt.

Wo wir Himmels-Kränze für Euch winden.

Wenn kein Feind mehr unsern Frieden stört. "74

Das Mitleid der Frauen und ihre tätige praktische Hilfe wurden in diesem Gedicht als Gegensatz
des politischen Engagements, des leeren Freiheitsschwindels, entworfen. Die Polen fallen
als arme, hocherfreute Brüder dankbar auf die Kniee nieder und bitten um den himmlischen
Lohn für ihre Beschützerinnen. Mit den in der badischen Presse veröffentlichten Danksagungen
der Polen haben diese Bilder allerdings wenig zu tun. Das Klischee der reinen christlichen
Nächstenliebe, in das sowohl die Helferinnen als auch die Bedürftigen eingepasst wurden,
spricht den Lahrer Mädchen jede freiheitliche oder patriotische Motivation ihrer Tätigkeit ab.
Das Gedicht suggeriert, dass es die Frauen alleine waren, die wirklich halfen, weil sie die Menschen
- und nicht die Freiheitsliebe antrieb. Diese zwei Beweggründe wurden in starker Opposition
zueinander dargestellt, die der Leser in der Wohltätigkeit der Frauen im Gegensatz zu
den politisierenden Männervereinen wiedererkennen sollte. Der Verfasser dieser eher politischen
als poetischen Aussage nutzte die weibliche Wohltätigkeit zur Polemik mit den Liberalen
- jene(r) Schmeichlerrotte - und versuchte mit einer zwischen den Zeilen versteckten
Rüge, den Mädchen ihren rechten Platz zuzuweisen. Die Frauen traten mit ihrer Entscheidung,
in der Polenhilfe aktiv zu werden, jedoch ziemlich bewusst in einen durchaus mit politischen
Inhalten gefüllten Raum, auch wenn sie nur das „Engagement für die hilfsbedürftigen Nächsten
vor Augen" hatten.75

Carola Lipp schrieb im Bezug auf die Anteilnahme der Frauen an der Revolution 1848:

„Daß Frauen sich überhaupt in Politik einmischten, Stellung bezogen, ja selbst auf Versammlungen sprachen
, erscheint uns heute selbstverständlich, war aber damals geradezu revolutionär und 20 Jahre vorher
noch undenkbar gewesen."76

Fast zwanzig Jahre vor 1848 entstanden die weiblichen Polenvereine zur Unterstützung der
polnischen Flüchtlinge, deren Mitglieder gerade ihre Möglichkeiten der Partizipation an dem
politischen Geschehen erfolgreich ausprobierten. Sie stehen in der Geschichte des weiblichen

-

74 Lahrer Wochenblatt vom 5. Mai 1832.

75 Langewiesche (wie Anm. 9), S. 31.

76 Carola Lipp: „Ein Hoch auf Schwabens Frauen." Württembergerinnen im Vormärz und in der Revolution von
1848/49. In: Aufruhr und Entsagung. Vormärz 1815-1848 in Baden und Württemberg. Hg. von Otto Borst.
Stuttgart 1992, S. 190.

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