Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
124.2005
Seite: 136
(PDF, 48 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0136
Ausgangspunkt der radikalen Kritik war die Ungleichheit der Verteilung des geistigen und
materiellen Besitztums in der Gesellschaft. Das Recht der freien Konkurrenz als liberales
Grundkonzept gegen alle sozialen und gesellschaftlichen Missstände, so kritisierten die Radikalen
, sei zum schwersten Unrecht umgeschlagen, weil es die Millionen, im Gegensatz zu den
wenigen Begünstigten, an Händen und Füßen gebunden habe.5 Gleichzeitig wandten sich die
Radikalen vom kommunistischen Gedankengut ab, wie es von den communistischen Doktrinären
Marx, Engels und Hess vertreten wurde, und verteidigten gegenüber dem frühen Sozialismus
individuelle Freiheit und Selbstentfaltung, welche die Grundwerte des Liberalismus bildeten
.6 Dabei durften Freiheit und Selbstentfaltung kein Privileg des Bürgertums sein, sondern
mussten auch für die Unterschichten gelten und praktisch erreichbar sein. Die Radikalen vertraten
gemäß Gottlieb Christian Abt7 nicht Privilegien, sondern allgemeine menschliche Interessen
, nicht Vorteile einzelner Klassen, sondern das Wohl des Ganzen. Die Vorstellung eines
mit der Wahrnehmung der wirklichen Volksinteressen begründeten Rechtes auf Herrschaft kollidierte
mit dem liberalen Führungsanspruch und den Klasseninteressen des Bürgertums, weil
sie eine tief greifende Umwandlung der Gesellschafts- und Besitzordnung zugunsten der weniger
Besitzenden und Besitzlosen bedingte. Die Forderung nach Einführung einer sozialen
Republik und ihre Resonanz bei den Angesprochenen wurde vom Bürgertum als Bedrohung
des Besitzstandes angesehen und dementsprechend bekämpft.8

4.1.2. Kritik an den herrschenden Zuständen und Forderungen
nach steuerlicher Verbesserung

Die soziale Frage und die negativen Auswirkungen des Pauperismus waren auch ein Thema in
den radikalen Flugschriften der 48/49er-Revolution. Beispielsweise wurde der Gegensatz von
Arm und Reich beschrieben, und die politische und gesellschaftliche Struktur für die wirtschaftliche
Lage verantwortlich gemacht:

Wie ein Wüstenthier stürzt sich der hohläugige knochige Gesell, der Hunger, über die deutschen Länder
und ergreift seine Beute. Greift er die fetten, nein, dieses Raubthier hat ein anderes Gelüste, als die übrigen
; es sucht nur magere Beute. - Wen frisst es nicht? Diejenigen, die es gesandt haben. Wer sind die,
welche den Hunger senden, selbst aber ihn nicht kennen? Es sind diejenigen, die zuviel Gewalt haben!
thun können, was sie wollen, oder zuviel Gold haben! kaufen können, was sie wollen, vor allem aber diejenigen
, die beides zugleich haben. Diese schaffen den Hunger, sie selbst aber hungern nicht. Sie gebrauchen
den Hunger als Jagdhund, um das Volk wie ein Wild vor die Flinten ihrer Henker zu treiben und
es zu ihrem Vergnügen erlegen zu lassen.9

Im zitierten Flugblatt wird die Obrigkeit für die soziale Lage eines großen Teils der Bevölkerung
verantwortlich gemacht. Es beschreibt deren mangelnde soziale Verantwortung mit starken
, symbolhaltigen Bildern. Die Kritik am Adel bezog sich im Besonderen auf dessen Steuerpolitik
und dessen Pfründe, z.B. Jagdrecht oder Ämterkauf, welche er auf Kosten der abhängigen
Unterschichten sowie des Bürgertums bewahren konnte:

Ihr [die Fürsten] sollt nicht stehlen - nicht durch übertriebene Steuern und Verschwendung besonders an
Pensionen und Militärgehalte unser Geld an euch bringen, sondern unser Handel und Gewerbe befördern
, uns zu Nahrung und Wohlstand verhelfen.10

5 Wilhelm Schulz: Communismus. In: Staats-Lexicon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften. Bd. 3. Hg.
von Carl von Rotteck und Carl Theodor Welcker. Altona 1846. S. 292 f.

6 Schulz (wie Anm. 5), S. 339.

7 Gottlieb Christian Abt gehörte zu den maßgebenden Theoretikern der frühen Demokratie und stand den Mannheimer
Radikalen um Johann Peter Grohe, dem Herausgeber der „Mannheimer Abendzeitung", nahe. Abt ver-
fasste zudem mehrere Beiträge für das Staatslexikon von Rotteck und Welcker, Deuchert (wie Anm. 4), S. 224.

x Deuchert (wie Anm. 4), S. 224.

9 StadtAF, Dvd 7680 RARA, Teil 1, Blatt 1.

10 Ebd., Blatt 23a.

136


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2005/0136